Dienstag, 29. September 2009

Danke

Mein Reisejahr geht in Auckland, Neuseeland zu Ende.
Ich werde am 27.11. 2009 in Wien ankommen.

Am 4. Dezember 2008 hat alles begonnen mit der Landung in
INDIEN: Goa - Hampi - Gokarna - Chennai - Andaman Inseln - Kalkutta
THAILAND: Bangkok - Chiang Mai - Pai - Bangkok
MYANMAR: Rangoon - Inle See - Mandalei - Pagan - Rangoon - Bangkok
NEPAL: Kathmandu - Pokhara - Kathmandu
INDIEN: Dharamshala - Amritsar - McLeodGanj - Bagsu - Bagdagon - Srinagar
LADAKH: Leh - Neu Delhi
SINGAPUR
BALI: Ubud - Jimbaran - Seminjak - Gili Trawangan - Singaraja
AUSTRALIEN: Darwin - Sydney - Coffs Harbour - Sydney
NEUSEELAND: Raglan - Coromandel - Ha Hei - Auckland - Goat Island -Matakana -Bay of Islands - Paihi - Russell - Hokianga - Omapere -Tane Mahuta - Rotoiti - Taupo - Hukafalls - Waiheke- Tauranga - Mt Maunganui - Piha - Hamilton - Raglan - Auckland

Ich danke Gott und den Guten Geistern, dass sie diese Reise moeglich gemacht und mich beschuetzt haben
Ich danke euch allen, dass ihr mich wirklich oder geistig ein Stueck begleitet habt

Bis bald und AUFPASSEN!


Sonntag, 20. September 2009

Es wird Fruehling

Auf meiner kleinen Tour durch den Norden Neuseelands lerne ich im Pub von Coromandel Grant kennen. "Du siehst wirklich gut aus", ist das einzige Kompliment, das er mir macht. Die Stiefel, die ich anhabe, findet er scheusslich, dass ich rauche, findet er grauslich und die Art, wie ich tanze findet er bloed. Nicht einmal die Musik gefaellt ihm. "Ich bin zu jung fuer diesen Scheiss", sagt er. Die Band heisst Xcalibur und spielt nur Hardrock, die Musiker haben die entsprechende Haartracht. Aber er weicht nicht von meiner Seite, wir tanzen die ganze Nacht. Am naechsten Abend sehen wir uns wieder, es ist ein Samstag und am Sonntag frueh verabschieden wir uns. Er faehrt nach Auckland und ich fahre weiter nach Ha Hei, wo es am Strand heisse Quellen gibt und eine Hoehle in den Felsen direkt am Wasser, die aussieht wie eine Kathedrale. Heisse Quellen und Hoehlen hab ich genug gesehen, Grant interessiert mich mehr. Ich fahre nach Auckland, wo er lebt und arbeitet und quartiere mich im Backpackerhostel ein. Ich hab keine Adresse oder Telefonnummer von ihm, bin mir aber sicher, dass er mich auch wiedersehen will und sich melden wird. Tatsaechlich erreicht mich ein Mail von ihm, zwar eine Stunde spaeter als erwartet, aber das ist er immer. Bei unserem ersten Wiedersehen kommt er auch fast eine Stunde zu spaet. Wir gehen in ein Thairestaurant, die Tische stehen nahe beisammen und den, der am Nebentisch sitzt, kennt er. "Das ist Grant", stellt der ihn seinem Gegenueber vor, "er ist der Chef von BMW in Auckland". "Wie lange bleibst du in Auckland?", will Grant wissen. "Solange du mich hier haben willst", sage ich zu ihm. " Ich habe Zeit und keine besonderen PLaene bis Ende November."

"Oh no", sagt er. "Oh yes", sage ich, "das meine ich genau so." "Ich weiss", sagt er. Er erzaehlt von der Trennung von seiner Frau vor fast einem Jahr, dass sein 20-jaehriger Sohn bei ihm wohnt und seine 23-jaehrige Tochter, die Ende des Monats ausziehen wird. Wir verabreden uns fuer Sonntag, vorher hat er keine Zeit. Am Donnerstag schickt er den ganzen Tag SMS, ebenso am Freitag. Am Abend ruft er mich an, wir treffen uns, am Samstag fahren wir in sein Haus direkt am Meer, am Sonntag machen wir einen Ausflug aufs Land, jedesmal holt er mich mit einem anderen BMW ab.




Er schlaegt vor, das naechste Wochenende in der Bay of Islands zu verbringen. Ich aendere mein Ticket, haette fuer Mitte der Woche einen Flug zurueck nach Australien, buche jetzt fuer Ende November direkt von Auckland nach Wien. Am Freitag abend fahren wir nach Paihia, wo der Vertrag zwischen den Englaendern und Maori abgeschlossen wurde, am naechsten TAg mit der Faehre nach Russell. Am Sonntag strahlender Sonnenschein, es wird Fruehling. Wir fahren nach Hokianga in die Bucht mit weissem Strandstrand, nach Tane Mahuta, wo die groesste Kauri Neuseelands steht. Wir hoeren Freddy Mercury im Auto und ich muss an die Tanzhalle in BAgsu in den Bergen des Himalaya denken, wo vor ein paar Monaten zuerst Louis Armstrong gesungen hat: Heaven, I am in heaven und danach Freddy Mercury: Give me somebody to love, was ich damals zum ersten Mal seit 20 Jahren wiedergehoert habe. "Happy days" sagt Grant und ich denke, wir haben noch neuneinhalb Wochen.

Sonntag, 30. August 2009

Bei den Kiwis

Ich bin bei den Kiwis und die sprechen wieder einen anderen Akzent - er hat bei den Englaendern den hoechsten Stellenwert hat von allen, die in Uebersee Englisch sprechen - und sie verwenden andere Ausdruecke. "Its all good", alles ist gut, ist einer ihrer Lieblingssaetze. Fast alles, die Matratzen in den Betten sind zu weich, findet Remo, ein Schweizer und ich bin seiner Meinung. Die Kiwis tragen beim Staubsaugen den Staubsauger am Ruecken und die Strassenkreuzungen kann man diagonal ueberqueren, dafuer dauern die Ampelphasen ewig. Das Bargeld ist zu achtzig Prozent abgeschafft, alle zahlen alles mit der Karte, auch das Bier im Pub, nur die Touristen laufen noch mit Geldscheinen und Muenzen herum. Das Land ist gruen, die Steiermark am Meer, auf der Suedinsel gibts den Franz Josefs Gletscher, wahrscheinlich Salzburg und Tirol am Meer. In der Zeitung sind die Zeiten fuer Ebbe und Flut angegeben und wie gross die Wahrscheinlichkeit ist, an dem Tag einen guten Fang zu machen. Heute ist Vollmond und 2 Tage vorher und einen nachher sind 3 Fische, der Hoechstwert, angegeben, zu Neumond sowie am Tag davor und danach auch.


Ich fahre mit Olivers Auto zur Captain Cook Bay, der Bucht, wo der Englaender Cook gelandet ist und die ersten Maori getroffen hat, die Ureinwohner Neuseelands. Sie kommen nicht wie die Aboriginies in Australien aus Afrika, sondern aus Asien. Die Maori wurden nie besiegt, heute noch tanzen sie den Hakahaka, eine Art Kriegstanz, bevor sie ein Rugbymatch anfangen. Sie haben mit den Englaendern einen Vertrag abgeschlossen, wonach sie ihnen das Land gegen Geld ueberlassen. Die Englaender haben sich nicht um den Vertrag geschert, vor etwa zehn Jahren wurde er eingeklagt und die Maori bekommen jede Menge Entschaedigung.


Auf meiner kleinen Tour durch den Norden der Nordinsel Neuseelands komme ich auch bei den HUndertwasserklos vorbei, schauen aus wie in Wien. Und ich sehe die groessten Baeume der Welt, die Kauris wachsen hier. Der aelteste ist 1000 Jahre alt. Ich sehe einen mit 9 Metern Umfang, 40 Metern Hoehe und 70 m3 Masse. Einen mit 6 Metern Umgang kann ich sogar umarmen, die groesseren werden vor den Menschen geschuetzt, so nahe kann man an die nicht heran. Es sind aussterbende Arten, vor ein paar hundert Jahren war noch ganz Neuseeland voll davon, jetzt gibts nur mehr einzelne. Es wird wohl nachgepflanzt, aber es dauert ein paar hundert Jahre, bis sie zweimal so gross sind wie unsere Vorstellung von grossen Baeumen.


Auf den Strassen ist die Geschwindigkeit angegeben, mit der man in die Kurven einfahren kann, die Bruecken sind fast alle einspurig und auf den Landstrassen gibts die Ankuendigung, dass in ein paar Kilometer ein Teilstueck mit zwei FAhrbahnen kommt, wo man ueberholen kann. Nach ein paar Tagen Herumfahren lande ich in Auckland. Ich bin ziemlich stolz, dass ich trotz Linksverkehr und vierspurigen Autobahnen ohne Umweg in einer fremden Stadt dort ankomme, wo ich hinwollte. Linksverkehr ist kein Problem, nur schalte ich statt des Blinkers dauernd die Scheibenwischer ein. Ich checke mitten in der Stadt im Backpackerhostel ein, die nette Frau an der REzeption schickt mich in eine Gegend, wo man das Auto umsonst und sicher parken kann. Auch das finde ich und meinen Weg zurueck, keine zwanzig Minuten zu Fuss. Mein Zimmer ist winzig, Bett, Sessel und am Kastl ein Fernseher, im 10. Stock mit Minibalkon, aber ich bin mitten im GEschehen, nette Pubs und Lokale rundherum, jeden Abend gibts irgendwo Live-Musik, viele kleine Essenslaeden und REstaurants und gute Kaffeehaeuser. Gleich daneben die Stadtbibliothek, mein Wohnzimmer bei Schlechtwetter mit Riesenfernsehschirm, Kinderecke, Konzertraum, Kaffeehaus, Computer umsonst und alles zum Lesen, was es gibt. Dann der grosse Park mit anschliessendem Unicampus, die Studenten sind grossteils asiatisch, so das Essensangebot, ein eigenes Fittnesscenter, Radiostation, Arzt, Apotheke, Reisebuero, Friseur, Theater, Infocenter, Computersaal, Eltern-und Kind-Bereich und trotzdem klein genug, das alles uebersichtlich und zu Fuss zu erreichen ist. Am Abend gehe ich ins belgische Pub und spaeter in den Club Cassette und immer gibts nette GEsellschaft aus der ganzen Welt: GAbriel aus Kalifornien, Eric aus Georgia, Mick aus Irland, Remo aus der Schweiz, Vincent aus Deutschland, Mohammed aus Aegypten, und John, ein Kiwi. Drinnen ist alles rauchfrei, geraucht wird auf der Strasse, aber die meisten Weissen rauchen nicht, viele Asiaten schon.


An einem dieser Tage ist eine Parade angekuendig. Ich denke, es wird eine Parade von ANZAC = Australian and New Zealand Army Corp. Die beiden Laender schicken gerne gemeinsam ihre jungen Maenner in verschiedenen Kriege, wo sie dann auch gemeinsam erschosssen werden. Und so warte ich auf Panzer, so wie in Australien, wo die zurueckgekehrten REgimenter aus dem Irak, aus Afghanistan oder aus Osttimor durch die Strassen der Stadt marschiert sind. Hier in Neuseeland sitzen barbusige Maedels auf den Panzern, werden auf schweren Harleys herumkutschiert, auf Sportwaegen, auf 4W-Drives, auf allen fahrbahren Untersaetzen, mit denen Maenner so gern spielen, sitzen die Spielsachen drauf, die sie am liebsten haben. Der groesste Busen der Welt ist auch dabei: auf jeder Seite ein Medizinball. Der Auflauf am Strassenrand ist gewaltig. Am Schluss stellt sich heraus: die Boobsparade ist eine Werbeveranstaltung fuer eine Erotikmesse am Wochenende. Neben mir sagt ein Mann zum anderen: "Meine Frau hat mich wegen einer anderen verlassen und ist lesbisch geworden" und der andere faengt schallend zu lachen an.

Dienstag, 18. August 2009

Gott zum Lachen bringen

Ich buche meinen Flug nach Neuseeland zu Oliver, der 35 ist und den ich auf meiner ersten grossen Reise in Schottland kennengelernt habe, als er eineinhalb Jahre alt war. Um nach Neuseeland einreisen zu koennen, brauche ich ein Ausreiseticket. Ich kanns nicht glauben, denn bis zu drei Monaten Aufenthalt brauchts kein Visum und denke mir, ich lasse es drauf ankommen, denn ich will mich nicht festlegen, wohin die Reise weitergeht. Beim Einchecken ins Flugzeug verlangen sie tatsaechlich das Ticket, ich hab keins. Australien ist nicht Dritte Welt, wo mit 25 Dollar alles geregelt werden kann, ich muss einen Flug buchen. Wozu gibts Internet, das hab ich gleich. Die Webseite, auf der ich problemlos meinen Flug nach Neuseeland gebucht habe, verweigert. Wegen eines Verbindungsfehlers bitte noch einmal von vorn. Nach ein paar Mal probieren geb ich auf, was ist das, das neue Mensch aergere dich nicht?

Ich suche einen Schalter, um einen Flug zu buchen und die Dame erklaert mir sehr bestimmt, dass sie jetzt eine halbe Stunde telefonieren muss. "Dann ist mein Flugzeug weg", sage ich. "Das ist nicht meine Schuld", sagt sie. Natuerlich ist es das nicht, sage ich und sie gibt mir gnaedigerweise eine Telefonnummer, wo ich mein Anliegen vorbringen kann. Und diese Telefonstimme bucht mir tatsaechlich einen Flug und mit dem Ticket gehe ich zum Schalter zurueck. Das Ticket ist ein Rueckflugticket nach Sydney, ob ich wohl ein australisches Visum habe, mit dem ich oefter als einmal einreisen darf, fragt mich der Mann beim Einchecken. "Woher soll ich das wissen", sage ich, " ich habe mein Visum nie gesehen, es ist ein elektronisches." So versucht er, das herauszufinden, fragt bei den neuseelaendischen und/oder australischen Behoerden nach und irgendwer gibt dann sein ok. Zuerst wollten sie mich nicht hereinlassen, jetzt wollen sie mich aus Australien nicht hinauslassen. "Jetzt kann jeder fliegen", lautet der Werbespruch der Billigfluglinie, doch je billiger die Flugtickets, desto strenger die Einreisebestimmungen.

Bei meiner Ankunft in Auckland auf der Nordinsel Neuseelands ist es arschkalt, das findet auch Katie, die gerade von einer Insel des Koenigreichs Tonga zurueckgekommen ist und mit der ich auf den Bus nach Hamilton warte, wo mich Oliver abholen wird. Oliver lebt seit 11 Jahren in Raglan, einer kleinen Stadt in der Naehe Hamiltons am Meer. Er ist gekommen, um hier einen Monat lang nach seiner Ausbildung als Ostheophat zu arbeiten. Sein Haus liegt direkt am schwarzen Sandstrand, vis a vis ein Huegel in Gruentoenen, die ich noch nie gesehen habe. Die beste Luft, die ich kenne, eine Mischung aus Almengruenland und Meeresbrise. Als wir von der Terasse aus den Sonnenuntergang sehen, verstehe ich, warum er geblieben ist.

Am naechsten Tag ein Sturm, die Kitesuerfer haben ihre Freude. Ich zaehle acht am Himmel, was mir schwer faellt, weil sie so flott unterwegs sind. Der Sturm wird zum Orkan und ich fuerchte, dass das Haus wegfliegt, es ist eine bessere Strandhuettte aus Holz, mit einfachen Fenstern und keiner Heizung, ein Sommerhaus, wie die Nachbarhaeuser auch. Das daneben wird gerade frisch gestrichen von Murdo, einem Freund Olivers aus Schottland, er schaut aus wie ein Wikinger und ist auf einer Weltreise hierhergekommen, um Oliver fuer ein paar Tage zu besuchen. Das war vor 6 Jahren. Jetzt hat er Frau und 2 Kinder und das dritte ist unterwegs. "Erschreck mich nicht", sage ich zu ihm und denke daran, dass ich vor meiner Abreise eine lose Liste gemacht habe, wo ich ueberall hinfahren koennte und Neuseeland war die letzte Station. Laut Liste war es aber erst Juni, jetzt ist Anfang September.

Oliver erzaehlt, dass er hier angekommen ist und sich sofort zu Hause und wohl gefuehlt hat. Vor ein paar Jahren ist seine Grossmutter gestorben und beim Durchblaettern der alten Fotoalben aus dem Nachlass hat seine Mutter entdeckt, dass ihre Grossmutter auf einer Schiffsreise 1924 in Raglan war. "Wahrscheinlich ist dir deshalb alles so vertraut vorgekommen"' sage ich. Wir gehen hinunter zum Strand, am Wegesrand bluehen die Schneegloeckchen, dann den Strand entlang, eine der besten Surfbuchten der Welt ist hier, weil die Wellen so einen lange Weg bis zum Strand haben. Und Oliver zeigt mir ein Stueck Land, das er gekauft hat und wo er nach der Hochzeit mit Vicky im Februar ein Haus bauen will. "Dann bleibst du also fuer immer hier?" frage ich ihn. "Plaene machen ist der beste Weg, Gott zum Lachen zu bringen", sagt er.

Freitag, 7. August 2009

Begegnungen

Ich bleibe in Darwin. Die Stadt ist nach Charles Darwin benannt, der hier bei seiner Erforschung der Arten Station gemacht hat. Ich warte auf Jasmin, eine Australierin, mit der ich voriges Jahr eine Woche in Hanoi verbracht habe. Sie arbeitet auf einem Schiff, das draussen im Meer Perlen einbringt. Nach neun Wochen auf See gehen sie vier Tage an Land, denn gehts wieder hinaus fuer sechs Wochen. Am Abend ihres Eintreffens geht praktisch die ganze Besatzung ins Pub, etwa 20 Leute, die Haelfte davon Frauen. Es ist eine lustige Runde, fast alles junge Leute, die ein halbes Jahr durcharbeiten und dann ein halbes Jahr freihaben, Perlenfischen ist Saisonarbeit. Jasmin, die alle Jazz nennen, sagt, heute hab ich mir mein Bankkonto angeschaut und jetzt weiss ich wieder, warum ich das mache. Einmal fahre ich noch hinaus, dann reichts.
Wir gehen weiter in die Disco, bummvoll, heute ist Tits Tuesday und nach Mitternacht marschieren die Maedels der Reihe nach auf die Buehne und praesentieren sich, manche auch ihren Busen.

Fuer den naechsten Tag ist Camping angesagt, Jazz, ihr Freund Chris, Amanda mit ihren zwei Hunden und Ron und Stacey, wir fahren mit zwei Landcruisern. Riesige Ueberlandlastwagen kommen uns auf der Strasse entgegen, dann gehts weiter auf einer Ruettelpiste durch abgebrannte Waelder zum Meer. Dort am Strand entlang auf der Suche nach einem Platz zum Fischen, spaeter fuer ein Feuer und zum Uebernachten. Weiter unten, wo ein jetzt kleiner Fluss ins Meer muendet, sind Krokodile und Amanda laesst ihre Hunde nicht von der Leine. Am Abend schlagen sie die Zelte auf. Ich klettere auf den Landcruiser, der als Dachgalerie einen metallenen Lattenrost hat. Im Schlafsack ist eine Schaumgummimatratze, darueber ein wasserdichter Ueberzug und drinnen ein Leinenschlafsack, gross genug zum Uebern Kopf ziehen wegen der Moskitos. Ich schluepfe hinein, ueber mir der Himmel voller Sterne, dicht gewebt wie ein Teppich, es ist mein Himmelszelt.

Waehrend ich auf Jazz gewartet habe, denke ich an Toni und Tonia, urspruenglich Englaender, Ende der sechziger Jahre auf einer kostenlosen Ueberfahrt mit dem Schiff nach Australien gekommen. 1991 wurde Toni als australischer Handelsdelegierter nach Polen entsandt. Tonia hat eine Schweizer Mutter und war eine meiner Liebsten in den Deutsch-Konversationsstunden, die ich in Warschau gehalten habe. Vor ein paar Jahren ist der Kontakt abgebrochen, jetzt finde ich in den White Pages, dem australischen Telefonbuch im Internet eine Telefonnummer, die passen koennte und rufe an.

"Ich heisse Edith, bin aus Oesterreich und habe in Polen gelebt, haben sie auch in Polen gelebt?", frage ich. "Ja", sagt der Mann am anderen Ende der Leitung. "Eine Tonia hat meine Deutsch-Konversationasstunden besucht. Ich bin in Australien und habe mir gedacht, ich versuche, sie zu kontaktieren. Bin ich an der richtigen Adresse?" Ich bin und Toni holt Tonia ans Telefon. Die Ueberraschung ist gross und sie laden mich ein, ein paar Tage bei ihnen in Coffs Harbour zu verbringen, nur eine Flugstunde von Sydney entfernt, fuer australische Verhaeltnisse praktisch um die Ecke. Der Anflug auf Coffs Harbour ist turbulent und die Frau neben mir sagt, einmal haben sie es wegen des starken Windes dreimal probiert und dann sind wir erst woanders gelandet und mussten zehn Stunden mit dem Bus fahren. Bei uns klappt beim zweiten Mal eine relativ sanfte Landung.

Sie warten auf mich in der Ankunftshalle, wir erkennen uns sofort wieder und Tonia sagt: "Du siehst viel entspannter aus." Wir fahren eine viertel Stunde und sind in einem Wald mit Bananenplantagen, mitten drinnen ihr neues Haus auf einem Hang. Das Sandsteingebauede umgibt eine Holzveranda, gross und breit in weiss und ein bisschen rot, im Erdgeschoss ist es ein Arkadengang. Die Voegel zwitschern, ein kleiner weisser unscheinbarer schreit, dass ich zusammenzucke, als ich ihn zum ersten Mal hoere.Von der oberen Ecke der Veranda kann man das Meer sehen. Im Garten hohe alte Baeume, Avocados, Mangos, Zitronen und Orangen, bluehende Azaleenbuesche und Palmen. Eine riesige Zysterne fuers Wasser, es reicht sechs Monate und wenn man sparsam ist, fuer neun. In der Zeit wirds hoffentlich wieder mal regnen. Weiter unten im Sueden und Westen Australiens ist Wasser noch knapper. Toni sagt, dass hier viele POHMs leben, so heissen in Australien die Englaender und es bedeutet: Prisoners of His Majesty=Gefangene des Koenigs.

Sydney ist mein naechster Stopp. Die vielen Wolkenkratzer im Zentrum erinnern an New York, Sydney ist aber doch mehr London: es gibt den Hyde Park, St. James, Oxford Street, sogar Grosvenor - nicht Square, sondern Place. Sehr gepflegt und sauber, ich finde keine abgefuckten Ecken. Und ich melde mich bei Joejoe, einem Freund meiner Schwester. Ich nehme eine Faehre nach Manley, wo er mich abholt, ein gruener Stadtteil mit Strand und Meeresschwimmbecken. Wir verstehen uns sofort, auch mit seiner Freundin Susie und sie laden mich ein, bei ihnen zu wohnen. Wir fahren nach Cronulla und machen eine Bootstour am Palm Beach, besuchen Darling Harbour mit dem Opernhaus, das aussieht wie ein Reptil und The Rocks, ein paar alte Gebaeude zwischen den Wolkenkratzern. Fuer einen Moment denke ich, wo bin ich, in Singapur? In Singapur ist es sehr heiss, hier hat es um die zwanzig Grad. "Wenn das euer Winter ist, damit kann ich leben", sage ich zu Susie und Joe, die mich praktisch adoptiert haben, auf unserem Weg nach Hause ueber die Spitbridge, die Spuckbruecke, - passt gut zu Coffs Harbour, dem Hustenhafen. "Manchmal denke ich, ich kenne mich aus, und dann weiss ich erst wieder nicht, wo ich bin", sage ich. "Im Leben oder in der Stadt?", fragt Joe.

Joe ist Oesterreicher, ist seit dreizehn Jahren hier und arbeitet als Clowndoktor. Susies Eltern sind aus Slowenien hierher gekommen, als es noch Jugoslawien war. Heuer wollen sie heiraten und vielleicht gehen sie dann doch einmal nach Oesterreich. Ich denke daran, wie oft ich als Oesterreicherin fuer eine Australierin gehalten werde. Was haben die beiden Laender gemeinsam ausser einem Teil des Namens? Die Jahreszeiten bestimmt nicht, das Wasser schmeckt nach Chlor, der Wein ist gut. Im Fernsehen gibts "Kommisar Rex", der hier "Inspektor Rex" heisst und genauso populaer zu sein scheint wie zu Hause. Und ich sehe Plakate in der ganzen Stadt mit einem Werbespruch fuer Mobeiltelefone: "Hier kommt Bob", genauso wie zu Hause und frage mich, wer hat hier von wem abgeschaut.

Dienstag, 28. Juli 2009

no worries

"No worries"', sagen die Australier bei jeder Gelegenheit, mach dir keine Sorgen. Dabei gibt es Gruende genug: Krokodile, gefaehrliche Schlagen, giftige Spinnen, toedliche Quallen und Haie. Harmlose Kangurus liegen tot am Strassenrand, als Kris, Nadine und ich gemeinsam in den Kakadu-Nationalpark fahren. Wir kommen an einem Dorf vorbei, das Humpty Doo heisst und nach 200 km Nichts in eine Kleinstadt namens Bachelor. In der Mitte die Tankstelle, die Pickups wie aus einem alten amerikanischen Western, dreckig und verrostet. Die Typen, die aussteigen oder vor der Tankstelle/Supermarkt/Coffeeshop sitzen, wie die Cowboys mit Hueten und grossen Augen, als sie uns drei sehen. Leben hier nur Junggesellen - bachelors?

Wir fahren weiter zu den Plaetzen, wo Aboriginies gelebt haben. Ein kleines Kaenguru - Wallaby- mit einem Baby im Beutel wie zu unserer Begruessung am Eingang. An den Felsbloecken viele Zeichnungen, sie erzaehlen Fabeln und Maerchen, durchaus zu Erziehungszwecken oder welche Voegel oder Fische es hier zu jagen gibt. Eine Steinzeitkultur, die Menschen haben unter den Felsvorspruengen Unterschlupf gesucht vor dem Regen oder Schutz vor der Sonne, sind dort gesessen und haben sich Geschichten erzaehlt. Es wundert nicht, dass sie sich im 21. Jahrhundert nicht so zurecht finden, wie es die Weissen von ihnen erwarten. Sie kannten nichts anderes als das Land, das sie ernaehrt, das sie von ihren Eltern uebernommen und an ihre Kinder weitergegeben haben. Die australische Regierung koennte was lernen, die sind hier voll auf dem gruenen Tripp - reuse, reduce, recycle - wiederverwenden, reduzieren, wiederverwerten - heisst es ueberall. Australien will das erste Land der Welt werden, das keinen Raubbau an den Resourcen betreibt. Den urspruenglichen Landbesitzern, den Aborigines geben sie als Entschaedigung fuer das Land genug Geld zum Leben, das diese hauptsaechlich fuer Alkohol ausgeben. Doch was sagt Buddha braucht man fuer sein Glueck: jemanden zum Lieben, etwas zu tun und einen Wunsch an die Zukunft. Zu tun haben sie nichts, geht sich also nicht aus.

Von den Krokodilen werden sie jedenfalls nicht mehr gefressen. Immer wieder Schilder, die vor den REptilien warnen. Wir entdecken ein schlafendes Krokodil am Flussufer des Alligatorrivers - aus sicherer Entfernung. Weiter oben am Fluss bekommen wir Touristen sie besser zu sehen bei der taeglichen Krokofuetterung, wo ihnen Fleischbrocken vor die Nase gehalten werden, sie sich aus dem Wasser danach strecken, das Maul aufreissen und danach schnappen. Sie sind entwicklungsgeschichtlich aelter als die Dinosaurier und koennen bis zu 2 Jahre ohne Futter auskommen. Der Kroko hier im Revier ist ueber 70 Jahre alt und hat nur mehr ein Bein, aber ueber 50 Weibchen. Sie fressen ihre eigenen Jungen, aber nicht nur: "Salzwasserkroko friesst Frischwasserkroko" mit Foto auf der Titelseite der Zeitung.

Wir fahren weiter zum "Krokodile-Dundee-Land", einem Felsplateau, das im Film eben diese Rolle spielt und von wo man im 360-Grad RAdius sehen kann. Auf der einen Seite Wetlands, Wassertuempel, die von der Regenzeit ueberig geblieben sind, heissen hier billabongs. Auf der anderen Seite eine schroffe rote Gebirgsmauer, nicht sehr hoch, aber ewig lang. Und noch einmal ein Stueck weiter Felsberge mit einzelnen Baeumen drauf und Felsvorspruengen darunter. Weiter die Strasse entlang meterhohe Termitenhuegel, aufgereiht auf einem PLatz groesser als zwei Fussballfelder wie Grabsteine auf einem Friedhof. Wasserfaelle mit kleinen Becken in den Felsvorspruengen am Bergruecken und einem grossen Teich unten, wo sich das Wasser sammelt. Die Nacht verbringen wir im einem Campingplatz angeschlossenen Hostel mit (Wasch)kueche, Duschen und Klos, einem Restaurant und Swimmingpool mitten in der Wildnis.

Wieder zurueck in Darwin gibts an diesem Wochenende ein Pferderennen und alle Frauen sind angezogen, wie wenn sie zu einer Hochzeit gehen wuerden, mit Hut. Voriges Wochenende gabs einen Galaball, naechstes faengt das Darwin Festival an, am Sonntag abend gibts Kabarett auf der Freiluftbuehne und Ende des Monats einen Wiener Maskenball. Ich gehe in mein Lieblingslokal mit Besitzern und Kueche aus Osttimor, zu meinen chinesischen Masseuren, die an einer Strassenkreuzung am Gehsteig Schultern, Nacken und Beine massieren und ins irische Pub Shenannigans. Wir feiern die GEburt von Kris Nichte und am naechsten Abend den Abschied von Kris und Nadine bis halb fuenf Uhr frueh, sie fahren weiter nach Ayers Rock. Zum Abschluss findet Nadine ihren franzoesischen Verehrer in der Freiluftdisco mit einem blonden Maedchen. "Ich reise erst morgen ab", sagt sie und nicht "no worries", sondern klatscht ihm eine ins Gesicht.

Montag, 20. Juli 2009

Nette Famileinmitglieder

"We have been waiting for you a loooong time" - lange haben wir auf dich gewartet, sagt der Zollbeamte, der in Darwin, meinem Ankunftsort in Australien den Pass kontrolliert, als ich ihm sage, dass ich zum ersten Mal hier bin. Es war eine Anreise mit Hindernissen. Zuerst war ich zweimal am gleichen Flug gebucht. Nach dem Storno der einen Buchung werde ich nach meinem Visum gefragt. "Visum? Brauche ich ein Visum?" frage ich erstaunt und die Antwort ist ja. Ich hab keins, die Fluggesellschaft kann das fuer mich regeln, wenn ich 25 amerikanische Dollar zahle. Na klar doch. Eine australische Regierungsbeamtin kommt und kontrolliert meinen Pass mit der Lupe - wortwoertlich. Warum ich kein Visum habe, wo ich doch so viel gereist bin, fragt sie. "I am just stupid"- ich bin einfach deppert - sage ich und auch, dass ich nicht den Rest meines Lebens in Australien verbringen will, hoechstens ein paar Wochen, wenn ueberhaupt. Sie glaubt mir und gibt ihr ok.

Dann wird das Visum auf mein Ticket ausgestellt, das gerade storniert wurde. Ich bin mir nicht sicher, ob mich dieses Land haben will. Die freundlichen Balinesen schaffen auch diese Huerde, jetzt ist es schon etwas spaet und ich bekomme den Sitz Nummer 1D im Flugzeug, erste Reihe fussfrei. Die Stewardess unterrichtet mich, dass ich im Notfall bei der Evakuierung helfen muss und erklaert mir, wie die Tuer aufgeht. Ich bin froh, dass ich sitze und lasse sie reden. Dann der nette Empfang durch den Zollbeamten nach zweieinhalb Stunden Flug - sie wollen mich doch - und um vier Uhr frueh bin ich bei meinem Hostel. Der junge Mann an der Rezeption erklaert mir, dass meine Reservierung erst ab morgen gueltig ist und dass es sich wegen der paar Stunden nicht lohnt, fuer eine ganze Nacht zu bezahlen. Ich koenne mich ja einstweilen auf die Couch im Eingangsbereich legen.

Die Couch ist eine Holzbank, die Klimaanlage ist laut und alle fuenfzehn Minuten startet der grosse Getraenkeautomat seinen Kuehlmotor. Dazwischen geht immer wieder die Tuer auf, die Nachtschwaermer kommen nach Hause. Zuerst ein Maedchen, dann ein Bursch. Er laedt mich ein, ich koenne ja bei ihm schlafen, nein danke. Dann kommt ein Paerchen, inzwischen ist mir ziemlich kalt. Wieder ein Bursch. "Hey", sagt er, "bei mir im Zimmer ist noch ein Bett frei, willst du dich nicht dort hinlegen?" "Wieviele Betten hat das Zimmer?", frage ich. "Vier", sagt er, "aber nur drei sind belegt. In dem einen kannst du schlafen." Ich komme mit. Jemand schlaeft unten, er raeumt das Stockbett ab und ich lege mich hin und schlafe, bis der erste aufsteht.

Mein gebuchtes Bett ist in einem Vierbettzimmer mit drei deutschen Maedels. Im Hostel sind viele Franzosen und noch mehr Deutsche, viele davon mit einem Jahresvisum, wo man auch arbeiten kann. Verena arbeitet seit sieben Wochen bei McDonalds und will solange bleiben, bis sie genug Geld gespart hat, um weiterzureisen. Die zwei anderen, Kristin und Nadine sind zum Vergnuegen bzw zum Englischlernen in Australien und haben bis jetzt bei Gastfamilien gewohnt. Hostels finden sie gewoehnungsbeduerftig, gewoehnen sich aber schnell. Es gibt eine Gemeinschaftskueche, genuegend KLos und Duschen und jeden Tag kommt die Putzbrigarde, sogar ins Zimmer.

An der Waterfront ist ein kuenstlicher Strand angelegt, abgemauert, wie ich mich vergewissere, wegen Krokos, Haien und Quallen. Hier kann man tadellos sonnen und baden. Am Nachtmarkt gibt es Krokodil-, Kaenguruh- und Kamelfleisch zu essen. "You kill it, we grill it", steht am Stand angeschrieben. Ich koste von allen dreien, ist eh grauslich, Kris schmeckts. Der Didgeredoospieler am Markt ist blond und die Aboriginesmaedchen tanzen bzw wackeln mit dem Arsch, dass allen die Spuke wegbleibt. Fast jeden Abend gibt es Live-Musik in den Pubs. Die meisten Leute hier sind entweder junge TRaveller, die mit alten Campingbussen Australien bereist haben oder Seeleute, die ein paar Tage an Land verbringen, beide gierig nach Spass und Alkohol. Sie halten nichts von der Kunst der Verfuehrung oder haben keine Zeit dafuer. Hier geht die Post direkt ab: "You are so hot babe, wanna have sex?" - du bist so heiss, willst du sex? Nachdem man als Frau nicht sagen kann, ja, aber nicht mit dir, sage ich, nein, verpiss dich, bugger off. Zum Abgang sagt er noch, you have nice familymembers - nette Familienmitglieder - und starrt mir auf den Busen.

Mittwoch, 8. Juli 2009

Den Weltfrieden gefunden

Von Leh fliege ich ueber Neu Delhi mit zwei Tagen Aufenthalt bei ueber vierzig Grad nach Singapur. Der Flug von Singapur nach Bali in Indonesien dauert etwa zwei Stunden, ich komme um neun Uhr abends an. Die Dollar, die ich fuer mein Visum bei der Ankunft brauche, sind in meiner Reisetasche, deshalb muss ich auf mein Gepaeck warten, bevor ich das Visum beantrage. Bis alles erledigt ist, bin ich die letzte in der Ankunftshalle. Die Zollbeamten haben nichts zu tun und bitten mich, meine Reisetasche zu oeffnen. Was finden sie: drei Schachteln mit Schuesslersalzen, die aussehen wie Traubenzucker, aber genauso gut Speedtabletten oder sonst was sein koennten. Ich sage, es ist Medizin, sie sind in der Originalverpackung, aber sie sagen, das muessen wir testen. Sie nehmen aus jeder Packung ein paar Stueck und einer kommt mit einem Testkoffer. Er schmeisst eine Tablette in das Testroehrchen mit Fluessigkeit und ich denke, der koennte jetzt weiss Gott was hineinschmeissen und mir Drogenbesitz unterjubeln, bleibe aber ganz cool, denn ich weiss ja, dass es keine Drogen sind. Er testet eine Weile, es gibt keine Reaktion, er muss zugeben, dass ich recht habe und ich darf gehen.

Endlich im Hotel ist es fast Mitternacht, der Rezeptionist zeigt mir verschlafen mein Zimmer. Am naechsten Morgen gehe ich bei strahlendem Sonnenschein durch den bluehenden Garten zum Swimmingpool, das an gruene Reisfelder grenzt. Ich bin wieder angekommen im Sommer, den ich mir nach drei Monaten Himalaya und den letzten zwei Wochen Kaelte und einmal sogar leichten Schneefall gewuenscht habe. Und ich bin dort angekommen nach einem halben Jahr Reise, wo ich vor allem hin wollte: bei mir. Und was sehe ich, wenn ich mich so anschaue: zu alt, zu fett, zu viele Falten und zu viele Erinnerungen. Kaum denke ich mir das, habe ich ein richtiges Date. Er ist Australier, in meinem Alter, schlank, schaut gut aus, heisst Dean und fuert mich in das beste Restautrant der Gegend. Gott sei Dank war ich vorher mit den zwei Italienerinnen Francesca und Greta einkaufen, sonst haette ich gar nichts zum Anziehen. Er ist Vermoegensverwalter, verbringt seit Jahren seinen Urlaub hier und war heuer vorher in Wimbledon. An dem Abend, als wir uns kennenlernen, ist das Finale der Herren und er muss bald gehen, um es sich anzuschauen. Am naechsten Abend Aperitiv, bester Fisch und Wein, danach in die Bar und dann ist er locker genug, um zu tanzen. Er ist ein richtiger WASP, ein white anglo saxen protestant, aber in ihm steckt ein lustiger Bursche. Wenn jetzt schon August waere, wuerde ich denken, er ist der Mann, den mir die Wahrsagerin prophezeit hat. Es ist aber erst Juli.

Ich bin in Bali, auf der Insel der Goetter, die vor Schoenheit nur so strotzt. Jedes Gebaeude sieht aus wie ein Tempel und ist es doch nur ein Haus. Jede Tempeltaenzerin ist so schoen wie die nepalesische Goettin Kumari und zweimal am Tag stellen gut angezogene Frauen in einer kleinen Zeremonie Schaelchen aus geflochtenen Palmblaettern mit Blueten, Reis und Raucherstaebchen, Kekesen und Zigaretten am Gehsteig, im Garten und bei den Goetterstatuen auf. Leider gilt mein Visum nur fuer einen Monat und deshalb beschliesse ich, nach Australien weiterzureisen. "Zu dem Australier?', fragt meine Tochter gleich. "Ich habe nichts gegen Fernbeziehungen, aber ueber Kontinente?" "Nein, nicht zu ihm, er kommt aus Adelaide, das ist ganz unten im Sueden und dort ist jetzt Winter. Nach Darwin in Norden Australiens, dorthin sind es keine drei Stunden und dort ist auch warmes Wetter", antworte ich ihr bei unserem Chat. Um eine Idee zu bekommen, was mich in Autralien erwartet, schaue ich mir den Blog mixedsubstance - in 180 Tagen um die Welt - von Markus und Bernd an. Es sind Freunde von Flori, die seit fuenf Monaten reisen und in Mittel-und Suedamerika, Neuseeland und Australien waren.

Ich lese: "Wir sind gestern in Bali angekommen." In Bali? Ich bin auch in Bali, schreibe ich zurueck. Wollen wir uns treffen? Deans Urlaub ist nach einer Woche zu Ende und ich fahre auf die Gili-Inseln, wo die beiden sind. Ich habe Gili Trawangan gebucht und Markus will von Gili Air herueber kommen, die beiden brauchen eine Pause voneinander. Am Hafen die ueblichen Schlepper, ich lasse mir ein Zimmer zeigen und borge mir ein Rad aus, um mir weitere anzuschauen. Ich komme an einer kleineren Anlegestelle vorbei und da steht Markus mit seinem Rucksack, gerade angekommen. Wir schauen uns gemeinsam ein anderes Zimmer an, nehmen es, er borgt sich auch ein Rad aus und wir fahren los, am Strand entlang, oberhalb auf dem kleinen Weg und manchmal muessen wir Pferdefuhrwerken ausweichen, Autos und Mopeds gibts hier nicht. Nach einer halben Stunde kommen wir zu einer Plattform am Strand, wo schon einige Leute sitzen, der Sonnenuntergangsspot der Insel, wir sind genau zur richtigen Zeit da. Einer verkauft kuehles Bier, wir nehmen jeder eins und schauen der Sonne entgegen. Als es finster ist, fahren wir den kleinen Weg weiter und keine 15 Minuten spaeter sind wir wieder im Ort und haben die Insel umrundet. Nach dem Abendessen noch eine kleine Wasserpfeife in der Shishabar direkt am Strand, ueber uns der Himmel voller Sterne.

Wir schlafen bis mittag, dann gehen wir tauchen(Markus) und schnorcheln(ich). Das Wasser und die Luft haben die richtige Temperatur, die Wellen sind angenehm, das Korallenriff ist nur ein paar Meter vom Strand entfernt und die Fische sind blau, gruen, gelb, orange, gelb-schwarz-weiss gestreift, gross mit dickem Bauch, klein und in Schwaermen, duenn, lang und durchsichtig fast an der Wasseroberflaeche oder grosse Schalentiere, die am Meeresboden liegen und violette Fuesse herausstrecken. Mit ihnen zu schwimmen ist wunderbar. Am Ende der Tour kommen wir zu einem Schiffswrack, das angeblich seit sechs Jahren da unten liegt. Es ist voll zugewachsen mit allem, was das Meer so hergibt.

Zum Sonnenuntergang schaukeln wir eine Runde in der Haengematte, danach abendessen in einem Lokal mit einer Band, die Happy Birthday spielt und dann abtanzen bis vier Uhr frueh. Heute ist mein Geburtstag! Und weils so schoen war, wiederholen wir das ganze am uebernaechsten Tag nochmal, diesmal ist Bernd auch dabei. In Rudys Bar sind wir schon Stammgaeste, der Barkeeper begruesst uns mit: alles klar, wie gehts, und kann recht gut deutsch. Am naechsten Tag sagt Markus: "In dieser Nacht habe ich am Strand bei Sonnenaufgang den Weltfrieden gefunden."

Sonntag, 5. Juli 2009

Die Mutter von der Marlies

Ich bin am Dach der Welt, in Leh in Ladakh. Hierher fuehrt die zweithoechste befahrbare Strasse der Welt, von Manali ueber fuenftausend Meter hohe Berge bis nach Leh auf 3500 Meter. Die Strasse ist jetzt Anfang Juni tageweise offen, aber man muesste bis Mitte Juli warten, bis die Fahrt halbwegs sicher ist. Jetzt schneit es immer noch zwischendurch und so nehmen Jennifer, Francoise und ich das Flugzeug von Jammu in Kaschmir nach Leh in Ladakh ins Himalayagebiet. Das hoechste Bergmassiv der Welt von der Luft aus, dunkelbraune Bergruecken mit und ohne Schnee, ein Faltengebirge, die Taeler sehen klein und schmal aus, manchmal dazwischen ein Rinnsal von einem Fluss. Beim Aussteigen aus dem Flugzeug bekomme ich weiche Knie und nach den paar Metern zum Flughafengebaeude muss ich rasten. Die Luft ist duenn und staubig-trocken. Jennifer geht es nicht besser und so verbringen wir den ersten Tag in unserem Guesthouse. Die Sonne scheint, im groessen Gaerten ums Haus herum ist alles gruen, da es ein Bewaesserungssystem gibt, die Hausfrau bringt Tee aus frischen Minzblaettern und neben dem Tisch bluehen zwei Fliederbuesche.

In Leh gibt es Heilerinnen, die sich Orakel nennen. Jenny, Francoise und Sonja, eine Australierin, sind auch neugierig und so fahren wir mit dem Jeep durch die Steinwueste ins naechste Dorf zum Haus des Orakels. Sie geht mit uns in den Zeremonienraum, setzt sich unter das einzige kleine Fenster auf den Boden, singt, scheppert mit einer Rassel in der Hand, verkleidet sich samt Kopfschmuck und bringt sich in TRance. Eine andere Frau sitzt neben ihr und bringt Wasser, Feuer, Schalen mit Reis oder was sie verlangt. Ein Bursche uebersetzt. Sonja sagt, sie hat Parasiten und das Orakel saugt mit einem Glasrohr an ihrem Unterleib und spuckt dann schwarzes Zeug in die Schale daneben. Sonja sackt zusammen, wird ohnmaechtig, wie mir scheint und das Orakel schreit nach Wasser. Die Assistentin floest es Sonja ein, sie richtet sich auf und wird entlassen.

Francoise wird auch so behandelt wegen unregelmaessiger Periode. Jennifer schickt sie zum Arzt, weil sie einen kranken Magen hat und bei mir sagt sie, da keine koerperlichen Beschwerden, ich muss meinen Exmann nochmals vor Gericht zerren, dann kommt das Geld innerhalb eines Monats. Unser Ausflug fuehrt uns nach einer kleinen Rast weiter in die Steinwueste, nur mehr wenige Haueser an den steilen Felshaengen und oben eine Burg, so schauen hier die Kloester aus. Hier ist es wie in Tibet, sagt man oder wie Tibet war, bevor es die Chinesen besetzt haben. Wir schauen uns das Kloster an, die Moenche ueben gerade einige Taenze, demnaechst gibts ein Tempelfest. Die Tanzbewegungen sind sehr langsam, sehen aus, als wuerden sie Tai Chi machen. Beim Tempelfest am Sonntag tanzen auch Frauen in bunten Trachten, es sind weite, dicke, lange Roecke, lange Hosen darunter und schweren Jacken darueber mit einer Tragtasche auf dem Ruecken, die schwarzen Zoepfe am Ende zusammengeflochten. Ihre Trachten und ihre GEsichter koennten auch aus Suedamerika sein.

Jennifer muss wieder nach Kanada zurueck und Francoise, Sonja und ich machen einen Ausflug ins Indutal, zum dem Fluss, der Indien den Namen gegeben hat. Die Fahrt mit dem Bus fuehrt an der hoechsten Tankstelle der Welt vorbei auf neuen schoenen Strassen immer weiter hinunter und weit und breit kein Mensch. Der Bus ist voll besetzt und die Insassen duerfte die gesamte Bevoelkerung der GEgend sein. Immer wieder kommen wir an Militaerbasen vorbei, indische Soldaten sind hier zu hauf, um die Grenze zu sichern. Die Ladakhis lachen ueber sie, denn sie finden sich in der Landschaft und bei den Temperaturen nicht zurecht, sagen sie. Wenn es wieder mal einen Grenzkonflikt mit Pakistan, China oder einfach nur GEfechte mit den Kashmiris gibt, die die Unabhaengigkeit wollen, schickt jede laddakhische Familie einen Mann zu den kaempfenden Truppen, um sie zu unterstuetzen, Sachen zu transportieren, ihnen Wege zu zeigen, was ordentliches zu kochen oder was auch immer. Der Indus ist ein breiter reissender GEbirgsfluss und daneben viertausend Jahre alte Hoehlen mt Wandmalereien. Am Abend kein Strom, weiter oben bauen sie ein Kraftwerk, und der schoenste Sternenhimmel der Welt.

Francoise und Sonja wollen laenger in der Steinwueste bleiben und ich fahre alleine zurueck. Wieder im Guesthouse in Leh hoere ich zwei Paerchen oesterreichisch quatschen, sie sind von einer Tour auf einen 5000er zurueck. Ich stelle mich als Oesterreicherin vor und wir gehen gemeinsam Abendessen. Nach kaum fuenf Minuten sagt Gerald: "Du bist aber nicht die Mutter von der Marlies?" "Doch, das bin ich." "Dann war ich ja schon bei dir in der Wohung in der Gumpendorferstrasse" und wir muessen beide sehr lachen.

Montag, 8. Juni 2009

Im Himmel

Die Strasse vom Flughafen nach Dharamshala fuert immer bergauf. Ich teile das Taxi mit Izzy, einem Israeli, der hier seit 5 Jahren wohnt. "Der Dalai Lama hat sich einen wunderschoenen PLatz zum Leben ausgesucht", sagt er. Der Ort oberhalb Dharamshalas heisst McLeodGanj, es leben praktisch nur Tibeter hier. Die Inder haben ihnen dieses Land ueberlassen, weil 1921 alles bei einem Erdbeben zerstoert wurde und die Tibeter 1949, von den Chinesen aus dem eigenen Land vertrieben, einen Ort zum Leben suchten. Die Strasse ist einspurig, trotzdem gibt es Verkehr in beiden Richtungen. Wenn uns auf der Strasse ein Auto entgegenkommt, muss entweder unser oder das andere Fahrzeug zurueckschieben, bis die Strasse breit genug ist, um ein zentimeterweises Vorbeikommen zu ermoeglichen. Ich schaue lieber nicht, wie tief und steil es hinuntergeht. Das hab ich mir schon in Nepal abgewoehnt.

Im Hotel angekommen treffe ich meine Freunde Gusti und Elisabeth aus Oesterreich. Elisabeth hat ein tibetisches Patenkind, das hier in die Schule geht und das sie fuer drei Wochen besucht. Gusti sagt: "Richard Gere hat dem Dalai Lama schon vor Jahren einen neue Strasse versprochen, ich weiss nicht, warum die noch nicht gebaut wurde. Er ist ja viel unterwegs und muss dann immer in dieses haessliche gelbe Gebauede zurueck da gleich vis a vis, das ist der Tempel." Die Moenche singen gerade ihre Mantras, es ist eine heilige Zeit, denn in diesem Monat sind Buddhas GEburtstag, seine Erlaeuchtung und sein Sterbetag. Vom Fenster des Hotels aus sieht man nur Himmel, vom Balkon hinunter in ein breites, langes Tal, das sich im Dunst verliert. Auf der anderen Seite schneebedeckte Berggipfel und auf den Bergruecken kleben die Haeuser.

Auf einem der Bergruecken fast ganz oben wohnt der Tiroler Jakob mit seiner Familie in einem Haus, in dem die Englaender, als sie noch Indien regierten, ihre Sommerfrische verbracht haben. Am Sonntag besuchen wir ihn, das Patenmaechen mit ihren zwei Schwestern und drei Burschen, die im TCV, dem Tibetan Childrens Village oder SOS-Kinderdorf wohnen, sind mit dabei. Dann taucht noch die Schwester von einem der Burschen auf. Danach die Halb-Schwester - die tibetischen Frauen haben bis zu drei Maenner - von einem der Maedchen mit kleinem Kind, dann eine Oma und dazwischen noch ein paar ganz liebe Tibeter. Ein Patenkind kommt selten allein, hier gibts noch die Grossfamilie.

Am naechsten TAg fahren Gusti und ich nach Amritsar, um uns den Goldenen Tempel der Shiks anzuschauen. Vorher noch an die indisch-pakistanische Grenze eine Stunde weiter, wo taeglich um sechs zu einer Wachabloese, wo die Fahnen eingeholt werden, hunderte Schaulustige erscheinen. Als Weisse werden wir wie VIPs behandelt und bekommen einen guten Sitzplatz. Von hier sieht man die pakistanische Seite, wo Frauen und Maenner auf getrennten TRibuenen sitzen, aber hoechstens einhundert insgesamt gegenueber tausend Indern. Einpeitscher machen Stimmung auf beiden Seiten, bruellen Parolen, die Masse schreit zurueck. Manche laufen mit der Fahne in der Hand die 50 Meter bis zur Grenze, das Gittertor ist noch zu. Soldaten maschieren im Stechschritt hin- und her und werfen ein Bein soweit in die Hoehe, als wuerden sie einen Spagat machen. Das Tor geht auf, die Soldaten stehen sich grimmig gegenueber, ziehen die jeweilige Fahne ein, maschieren ab und die Meute johlt.

Gusti und Elisabeth reisen nach einer gemeinsamen Woche ab und ich lerne Martin kennen, einen franzoesischen Kanadier, 37, Schauspieler und Taenzer. Wir machen eine Bergwanderung und treffen zuerst Francoise, eine Franzoesin, 33 und dann Jennifer, eine Kanadierin, 44. Jennifer ist die einzige Frau ausser mir, die ich kenne, die keinen Schmuck traegt. Und sie weiss, dass der Dalai Lama am kommenden Vormittag im TEmpel sein wird und wir gehen hin. Als wir kommen, ist der Tempelvorhof voll, er sitzt auf einem Podest vor der Buddhastatue und beim Vorbeigehen werden wir gesegnet. Wir finden einen PLatz in der aeusseren Halle, von wo wir ihn sehen koennen. Alles ist ruhig, man hoert nur das Geraeusch der Gebetsmuehlen, die Menschen murmeln dazu. Dann faengt der Dalai Lama laut in einem Singsang zu beten an, seine Stimme klingt tief, voll und leicht. Die Menschen antworten, es ist ein Vor-und Nachbeten und nach einer viertel Stunde vorbei. Er steht auf und geht den Gang entlang zu den Stufen, die hinunter zum Platz fuehren, wo ein Auto auf ihn wartet. Er segnet die vor ihm Knieenden und kommt so nahe an mir vorbei, dass ich ihn genau sehen kann.

Mit dem Segen des Dalai Lama gehen wir tanzen. Die Tanzhalle ist an der Laengsseite offen, vor uns liegt das Tal und links und rechts die Berghaenge. Izzy, meine Taxibegleitung ist der DJ und laesst Louis Armstrong singen: Heaven, I am in heaven - ich bin im Himmmel - und genau so fuehle ich mich. Danach gehts zur Massage beim tibetischen Masseur, der mir auch Akupunktur macht und Jenny zum Arzt schickt wegen ihres kranken Magens. Sie will, dass ich mitkomme und der tibetische Arzt verschreibt tibetische Medizin: aus Krautern gepresste Kugerln, fuer sie zum Gesundwerden und fuer mich fuer mehr Energie, bessere Vedauung und so, 5 Stueck taeglich zwei Monate lang und eine eigene Pillenmuehle, in der die Kugerln zu bitterem Staub zermahlen werden.

Martin will den Kamapa besuchen. Der Kamapa ist derjenige, der den naechsten Dalai Lama finden wird. Die Chinesen wollten ihn angeblich schon dreimal umbringen. Er ist ein junger Moench, vielleicht 25 und etwa 100 Leute sind zur Audienz zugelassen. Ich bin die erste, die hineingewunken wird. Ich weiss - wahrscheinlich als einzigen - nicht, was ich tun soll. Ich verbeuge mich, bekomme ein gesegnetes rotes Band ueberreicht und bin schon wieder draussen. Alle anderen haben weisse Gebetsschals mit, die sie segnen lassen, auch Martin, er hat mir aber nichts davon gesagt.

Wir schauen uns noch Norbulinka an, den Sommerpalast und die Kunstschule der Tibeter, wo die Mandala- und Tanakamaler ausgebildet werden. Wieder zurueck im Guesthouse hoere ich Moenchsgesang aus einem der Zimmer, Leute gehen ein und aus. Als ich einmal vorbeigehe, ist die Tuer offen und ich sehe jemanden im Bett liegen und weiss, das sind die letzten Stunden. Das laute Beten geht bis Mitternacht, dann schlafe ich ein und als ich wieder aufwache, beten und singen sie schon wieder oder noch immer. An der Rezeption frage ich nach und erfahre, dass eine alte Frau gestorben ist und denke mir, was fuer eine schoene Art, mit Gebet und Gesang in den Himmel zu kommen.


Freitag, 29. Mai 2009

Om Mane Padme Hum


toent das Mantra als Willkommensgruss aus allen CD-Laeden Kathmandus, als ich dort ankomme. Auf dem Weg zum Guesthouse treffe ich ein paar alte Bekannte, die mich begruessen: zuerst Helen, die Jazzsaengerin, die jetzt hier im Jazzclub singt und mich zu ihrem heutigen Abend einlaedt, Justin, der die letzten Shots fuer sein Musikvideo dreht und am Abend auch kommen wird, Vanessa, die von ihrer Everest-Basecamptour zurueck ist und Hassana und ihr Freund, die in der Zwischenzeit in Tibet waren und meinen, da muesste ich auch hinfahren.

Ich gehe vom Hauptplatz mit den mittelalterlichen Gebaueden am Palast der Kumari, der lebenden Goettin von Kathmandu, vorbei. Ein Maedchen ab vier muss ueber hundert Merkmale erfuellen, die sie zu einer Goettin auf Zeit machen. Sobald sie die erste Regel hat oder sonst wie blutet, wird eine neue gesucht und aus der Goettin wird eine normale Frau, so wie im wirklichen Leben aus jeder Prinzessin einmal eine gewoehnliche Sterbliche wird. Ihre Aufgabe war es, jedes Jahr dem Koenig ihren Segen zu geben. Dem vorletzten Koenig hat die Kumari den Segen verweigert. Im darauf folgenden Jahr hat der Koenigssohn und Thronfolger fast die gesamte Familie erschossen, was zwar alle getroffen, aber niemanden wirklich verwundert hat. Viele Buecher wurden darueber geschrieben, was denn der Grund fuer die Wahnsinnstat gewesen sei: er durfte die Frau, die er liebte, nicht heiraten, er hatte zuviel Drogen und Alkohol konsumiert, die Sadhus aus Indien waren gekommen und hatten ein Komplott geschmiedet oder die CIA. Fuer die Nepalesen war klar: Ohne den Segen der Kumari kein Koenig. Nach dem Tod des alten, sehr beliebten Koenigs wurde ein Neffe als Thronfolger eingesetzt, aber kurz darauf uebernehmen die Marxisten das Ruder. Welche Aufgabe die Kumari jetzt hat, weiss ich nicht. Die Marxisten feiern jedenfalls den Untergang des kapitalistischen Systems unter dem Motto: wir haben es schon immer gewusst (gemeinsam mit Kuba und Nordkorea).

Der Marxismus funktioniert auch nicht, taeglich gibt es Streiks. Jetzt streiken gerade die Busfahrer fuer mehr Strom, versammeln sich im Fussballstadion neben dem Busbahnhof und es herrscht sowas wie Volksfeststimmung. Die Stromversorgung ist auf 12 Stunden taeglich beschraenkt, im neuen Jahr, es faengt gerade 2066 an, sollen es mehr werden. Punkt acht Uhr abends geht das Licht aus. Um drei Uhr nachts ist der Strom oft wieder da, aber wer braucht ihn da ausser zum Handy-Aufladen? Manchmal kommt er auch frueher, vor der Sperrstunde um elf, denn es herrscht Ausgangssperre. Wenn das Licht in den Lokalen wieder angeht, tippen sich die Menschen mit der Hand auf Brust, Mund und Stirn, was so viel heisst wie den Goettern seis gedankt. In Myanmar waren die Menschen der Ansicht, wenn uns die Regierung keinen Strom schickt, dann starten wir unsere eigenen Dieselgeneratoren an. In Nepal schicken die Goetter den Strom, und wenn er nicht aus der Steckdose kommt, dann starten sie hier wie dort die lauten und stinkenden Generatoren an.

Alkohol und Haschisch gabs und gibts genug. Nepal heisst auch: never ending peace and love. Das haben die Hippies in den siebziger Jahren erfunden, als sie sich hier angesiedelt haben. Die Nepalesen haben eine Strasse nach ihnen benannt: Freakstreet, lauter Freaks in den Augen der Einheimischen. Ein paar sind noch immer da, aber viel mehr aus einer neuen Generation.
Die machen jetzt Volunteering oder Voluntourismus. Man kommt nicht mehr einfach in ein Land, sondern man kommt, um zu helfen. Bis man draufkommt, so funktioniert das nicht, man kann nicht in ein paar Stunden das Land, das Kinderheim oder sonstwas "verbessern". Man kann nur fuer sich selber etwas lernen, naemlich dass oder wie Dinge anders funktionieren koennen oder muessen als gewohnt.

Tara, eine blonde Deutsche mit Rastazoepfen bis zum Popo ist auch hier, um zu helfen. Jeden Abend haelt sie Hof in der Full Moon Bar. Lange hat sie in Goa gelebt und damals Stella geheissen. Dann kam sie nach Varanasi und ist den Leprakranken begegnet, die ihr geholfen haben, als sie kotzend auf den Stufen der Burning Ghats gesessen ist. Das hat ihr Herz beruehrt und sie hat ein Kinderheim fuer Leprakinder gegruendet. Dazwischen hat sie einen Sohn bekommen, der ist jetzt etwa zehn und haengt jeden Abend mit ihr in der Bar herum, bis er gegen Mitternacht in einer Ecke einschlaeft. Wenn sie zwischen zwei und drei gehen will, weckt sie ihn auf. Die Leprakinder machen so viel Arbeit, vor allem das Spenden sammeln und mehr noch das verteilen, dass ihr Kind sie meiste Zeit bei einer Pflegefamilie in Goa lebt. Fuer das Leprakinderheim ist sie vor ein paar Jahren als Frau des Jahres ausgezeichnet worden.

Damit ich nicht extra nach Varanasi fahren muss, schaue ich mir die Burning Ghats hier an, ausserhalb Kathmandus, wo die Toten am Flussufer verbrannt werden. Ein Scheiterhaufen neben dem anderen, manchmal schaut eine Hand heraus. Einer ist damit beschaeftigt, die Leichen am Brennen zu halten. Es raucht und stinkt und ich bin schnell wieder weg hinueber zur buddhistischen Stupa, wo die Menschen in der (Abend)Daemmerung mit einer Perlenschnur in der Hand - die bei uns als Rosenkranz angekommen ist - den Tempel umrunden und dabei tratschen und beten. Die meisten gehen nach Hause, als der Mond aufgeht und ich kann zuschauen, er innerhalb von fuenf Minuten in voller Groesse am Himmel erscheint. Die Haeuser der Tibeter sind neu und gross und schoen, auch die in den Fluechtlingslagern. Muessen tuechtige Menschen sein oder viele Unterstuetzer in der Welt haben. Sie haben ja auch eine gute PR, allen voran den Dalai Lama.

Die hinduistischen Goetter und Goettinnen haben keine Tempel, sie sind ueberall. Heilige Steine, rot markiert, heilige PLaetze, heilige Statuen, alle paar Meter gibt es etwas zum Stehenbleiben, Beruehren und den Segen abholen. Wenn man ehrfuerchtig verweilt hat, lauetet man eine Glocke und macht sich einen roten Punkt auf die Stirn. Die alten Haeuser haben kleine Fenstern, unten sind Werkstaetten oder Geschaefte, oben schaut manchmal jemand heraus. Eine kleine Gasse, kaum breit genug zum Durchgehen, fuehrt zu einem kleinen PLatz, ein- bis zweistoeckige Haueser auf jeder Seite, Huehner, Kuehe, Hunde und in der Mitte wieder ein heiliger Stein. Kinder spielen, Frauen sitzen und schnipseln Gemuese, eine Gruppe Burschen mit geschnitzten Masken ueber dem GEsicht machen einen Kreistanz. Der in der Mitte hat ein Beil in der Hand, um ihn herum, zu ihm hin und von ihm weg bewegen sich die anderen Gestalten. In der Ecke sitzt einer mit einem gitarreaehnlichen Instrument und macht die Musik dazu.

Es ist wie Mittelalter: alle Frauen haben das gleiche an, fahrende Spielleute sorgen fuer Unterhaltung, Kerzen sorgen fuer Licht und das Wasser kommt, wenn ueberhaupt, braun aus der Leitung. Der Mist wird einfach auf die Strasse geschmissen. Entweder fressen ihn die Kuehe, die Hunde, die Katzen, die HUehner oder in der Nacht die Ratten. Als ich in der Nacht nach Hause komme, kraxelt ueber meinem weiss bezogenen Polster im Bett gerade eine Kakerlake. Gestern hat mir mein Hotelbesitzer erzaehlt, er arbeitet daran, im Lonely PLanet aufgelistet zu werden.


Donnerstag, 14. Mai 2009

Bei den Schamanen

"Ich fahre am Freitag nach Kathmandu zurueck und bleib auf dem Weg eine Nacht bei einem Schamanen. Moechtest du mitkommen?", fragt Rolf. Er ist Deutscher und Journalist und lebt seit zwei Jahren in Nepal, berichtet von hier und betreut Entwicklungshilfeprojekte. Ich moechte mitkommen. Am Freitag zu fahren schaffen wir nicht, weil wir am Abend mit einer Runde aus England, Schottland, Ireland, Belgien, Holland und Amerika bis vier Uhr frueh in der Bluesbar meinen Paraglidingflug feiern. Wahrscheinlich waeren wir sonst auch nicht frueher gegangen. Wir fahren am Samstag frueh mit dem Bus. Um drei Uhr nachmittags steigen wir kurz vor Kathmandu aus. Der Schamane hat zwei stattliche Haeuser nebeneinander, ist 76 und heisst Mohan. "Heute frueh haettet ihr kommen sollen, da hatten wir ein grosses Fest zu Ehren der Ahnengeister. Es ist Maivollmond und da wird fuer die Ahnen getrommelt, getanzt und gesungen", sagt er und schlaegt auf die grosse TRommel im Zeremonienraum, dass ich zusammenzucke. Befreundete Schamanen, die meisten davon Frauen, sitzen erschoepft im Hof. Eine Gruppe von Schuelern aus dem Westen ist auch da. "Ich verstehe nicht, wie wir das versaeumen konnten", sage ich zu Rolf. "Hab ich doch nicht gewusst ", sagt er.

"Vom Maivollmond bis zum Augustvollmond sind die Goetter auf Urlaub, dann gibts wieder ein grossen Fest", sagt Mohan. Er zeigt mir den Altarraum und ich bleibe sitzen vor einer Wand voller Masken. Eine aeltere Frau, eine Juengere und ein Mann kommen herein. Dann eine Schamanin. Die aeltere Frau setzt sich vor die Altarwand, die Schamanin zuendet eine Kerze und Raeucherstaebchen an, dann stellt sie sich vor die Frau, den Ruecken zum Altar, die Raeucherstaebchen in der Hand, Reiskoerner in der anderen. Sie beginnt, Mantras zu singen, die Raeucherstaebchen ueber den Kopf und die Schultern der Frau zu schwingen und am Ende jedes Mantras ein paar Reiskoerner Richtung Altar zu werfen. Dann das gleiche ohne Pause wieder, die Augen geschlossen und nach einer Weile Singsang faengt sie zu schlottern und zu huepfen an. Eine Energie ist aus dem Koerper der Frau herausgestiegen, wurde von ihr freigelassen. Sie streicht der Frau ueber den Kopf und die Schultern, ohne sie zu beruehren. Das macht sie ein paar Mal, dann kommt der Mann dran mit der gleichen Zeremonie. Die Frauen tratschen einstweilen und niemanden stoert es, dass ich dabeisitze.

Wieder draussen im Garten fragt mich ein Schamane, ob er mich checken soll. "Warum nicht", sage ich. Mohan, der Chefschamane, sagt, du solltest besser darueber schlafen und morgen frueh entscheiden, ob du das wirklich willst. Rolf und ich uebernachten hier so wie die vier Schamanenschueler, die am naechsten Tag zur Ausbildung in die Berge aufbrechen. Nach dem Fruehstueck sitze ich dem Schamenen gegenueber, der an jeder Hand meinen Puls fuehlt. Dann gehen wir in den Altarraum mit einem von Mohans Soehnen, der uebersetzt. "Was ist dein Problem?", fragt der Schamane. "Ich habe bestimmt hundert Probleme", sage ich. "Wo soll ich anfangen?", sage ich. "Woran dankst du?", fragt er. "Seit ich hier bin, denke ich an meine Grossmama. Es ist der Tag vor dem Muttertag und da ist sie gestorben. Der Schamane sagt: "Ueber sie musst du dir keine Gedanken machen, sie ist ein einer besseren Welt und begleitet als Schutzgeist dich und die ganze Familie. Es geht ihr gut. Da gibt es kein Problem", und ich muss weinen vor Freude. "Die andere Sache ist, du verlierst seit fuenf oder sechs Monaten Energie. Ist irgendwas passiert?" "Ich bin seit fuenf Monaten unterwegs. Seit ich reise, werde ich von meinem Exmann im Traum heimgesucht. Letzte Nacht war er wieder da und ich wache mueder auf, als ich schlafen gehe." "Was hast du noch mit ihm zu tun?"'fragt er. "Gar nichts, ausser dass er mir noch immer Geld schuldet und das will ich haben", sage ich. "Das spuert er wahrscheinlich und deine Erdenergie ist im Moment schwach, da kann er dich leicht angreifen, das kostet dich Energie. Es ist eine Spirale nach unten. Wir koennen das stoppen, wir machen eine Zeremonie." Wir vereinbaren, ich komme am naechsten Abend mit Rolf wieder, denn morgen muss ich mir mein indisches Visum abholen und am Freitag muss ich aus Nepal draussen sein, da mein nepalisches Visum ablauft.

Als wir Montag abend bei Mohan ankommen, ist es schon dunkel. "Wir machen die Zeremonie morgen, denn ein Teil muss im Freiem unter der Sonne stattfinden", sagt Mohan. Rolf und ich setzen uns auf den Balkon und schauen dem Gewitter zu, trinken Bier und hausgebrannten Schnaps. Blitze ueber dem ganzen Himmel, die unter die Haut gehen und gewaltige Donnerschlaege, dann heftiger Regen, die Vorboten des Monsoon, der in einem MOnat beginnen wird. Am naechsten Morgen faehrt Rolf nach Pokhara zurueck, wir verabschieden uns. In der Frueh geht Mohan mit mir in den Altarraum. "Mit den Ahnen deiner Mutter ist alles in Ordnung. Auf der Seite deines Vater gibt es ein Problem. Ein maennlicher Vorfahre ist gewaltsam gestorben, ein Mord, ein Unfall, welche Gewalt weiss ich nicht, es kann lange her sein, wir schauen immer sieben Generationen zurueck. Der irrt jetzt verloren umher, aber wir koennen ihn durch Opfer beruehigen. Und du muss an deinen Exmann denken, er soll kommen und dir das Geld geben, du musst ihn anrufen, es sagen. Pavrati, die Schamanin, wird die Zeremonie machen. Zuerst herinnen und dann draussen, es wird etwa eine Stunde dauern."

Pavrati kenne ich schon, sie ist eine etwa sechzigjaehrige Frau mit langem Zopf, zerfurchtem Gesicht und guetigen Augen. Die Zeremonie ist genauso, wie sie sie gestern gemacht hat. Ich schliesse die Augen und nach einer Weile Singsang spuere ich, wie eine Energie aus mir raus steigt, fange zu zittern an, oeffne die Augen und Pavrati schlottert und huepft vor mir. Ein paar Sekunden spaeter legt sie beruhigend ihre Haende ueber meinen Kopf. Das wiederholt sie einige Male drinnen. Ein paar Mal muss ich weinen, dann draussen vor einem kleinen blumengeschmueckten Altarplatz, ich sitze davor auf einem Sessel. Dann muss ich aufstehen, ein Stueck weiter hinten in der Sonne und neben einer Raeucherschale stehen. Immer wieder kommen Traenen. Der letzte Geist ist besonders hartnaeckig. Pavrati nimmt einen Besen und kehrt ihn weg von meinen Schultern, dem Bauch, dem Ruecken, zwischen den Beinen und von den Fuessen. Es schuettelt und beutelt mich hin und her, aber dann ist er weg. Mohan kommt mit einem geschnitzten Stab und beruehrt die sieben Chakren. "Ein Teil von dir hat geschlafen und wenn die Seele schlaeft, ist man immer muede. Jetzt haben wir sie aufgeweckt und alles wird gut", sagt Mohan und bringt mir einen Tee. Etwas spaeter kommt Pavrati wieder. Jetzt hat sie einen Sari an und schaut aus wie eine normale Inderin. Wir fahren gemeinsam im Rikshaw-Kleinbus nach Kathmandu. Ich bin ziemlich erschoepft. In der Nacht schlafe ich gut und am naechsten Tag habe ich einen Zahnarzttermin, weil seit einer Weile ein Zahn wackelt. Als ich im Zahnarztsessel sitze und der Zahnaerztin den wackeligen Zahn zeigen will, wackelt er nicht mehr.

Dienstag, 28. April 2009

Helen und Holly am Himalaya

"Ich hab dich gestern abend in der Jazzbar gesehen", sagt eine Frau im Guesthouse in Pokara zu mir. "Ich bin Helen". Ja, ich erinnere mich. Sie hat mit der Band gesungen. Normalerweise kennen die Gaeste die Kuenstler und nicht umgekehrt. Helen hustet. "Ich habe mich vor ein paar Tagen verkuehlt", sagt sie. "In den Bergen hat es geschneit. Ich habe gemeinsam mit Holly und ihren drei Kindern den Berg Pune bestiegen. Das ist Holly und ihre kleine dreijaehrige Tochter Luana. Fuer Luana hat sie einen TRaeger gemietet so wie andere Leute fuers Gepaeck. Und obwohl diese Traeger bis zu 30 Kilo auf ihrem Ruecken schleppen, konnte der das kleine Maedchen nicht tragen. Maenner haben keine Hueften, wo die Kinder aufsitzen koennen.

Also hat Holly sie getragen, zwei Tage hinauf und der TRaeger das GEpaeck. Die zwei grossen Buben, 12 und 8 sind vorausgelaufen und der TRaeger, Shiva ist mit mir gegangen und Holly mit der KLeinen am Ruecken im Tragetuch hinten nach. Shiva hat mit mir geflirtet. Mein Freund hat mich vor ein paar Monaten verlassen. Das war zu Weihnachten und wir waren 6 Jahre zusammen und wollten heiraten. UNd ploetzlich wollte er seine Freiheit. Es war die Freiheit, mit einer 22-jaehrigen Deutschen zu voegeln. Und ich bin 42, wir haben uns in Goa kennen gelernt, ich lebe da seit 6 Jahren und bin Saengerin in einer Jazzband und er war der Gitarrist. Er ist Inder, aber in Dubai sehr westlich aufgewachsen und wollte ein Rockstar sein.


Holly lebt mit ihren Kindern schon seit 10 Jahren in Goa. In London hat sie ein Haus, das sie vermietet und mit dem Geld kann sie sich in Goa mit ein bisschen Verkaufen am Markt ein richtig gutes Leben leisten. Sie wohnt in einer alten portugisieschen Villa mit Hausmaedchen und Gaertner und die Kinder gehen in eine Privatschule. Der einzige Nachteil ist die Regenzeit, die demnaechst anfaengt. Die einzigen, die bleiben, sind die Muetter mit den Kindern, weil sie muessen. Die Maenner verfallen entweder komplett den Drogen oder sie gehen und bleiben weg. Von ihrem Mann hat sie sich vor eineinhalb Jahren getrennt. Sie moechte in Goa bleiben. Jetzt ist sie in Nepal, damit sie ein 5-Jahresvisum fuer sich und ihre Kinder bekommt. Mit etwas Geld unter der Hand geht das hier.

Fuer unsere Bergbesteigung musste ich mir ein paar Sachen kaufen, immerhin waren wir auf fast 3000 Meter. Wir sind mit unseren Turnschuhen gegangen und unseren 3/4 Hosen, aber Haarshampoo und TRockenfruechte hab ich eingepackt. Ich haette viel mehr TRockenfruechte kaufen sollen, denn alles, was man am Weg zu essen bekommt, ist Dal Bat, Reis und Linsencurry. Und das macht ziemlich viel Wind. Beim Gehen hat immer jemand gepfurzt und es hat dauernd gestunken. Waschen kann man sich auch nicht ordentlich, es gibt zwar Duschen, aber meist kein heisses Wasser und wenn, dann im Kuebel und wenn die Sonne weg ist, ist es eiskalt in den Huetten. Und in der Frueh mussten wir immer sehr schnell die Huetten verlassen, weil Luana in der Nacht immer ins Bett gemacht hat, was sie sonst nicht tut. Und Holly wollte weg sein, bevor es jemand bemerkt. Also hat sie Shiva und mich jedesmal aus dem Bett gescheucht, damit wir weiterkommen.

Einmal sind wir sieben Stunden gegangen, bergauf, bergab, bergauf, bergab, ueber Haengebruecken, Stufen hinauf und wieder hinunter. Die Buben sind immer vorausgelaufen, auch wenns geregnet hat. Am Schlimmsten war es, ueber die Haengebruecken zu gehen, wenn einem darauf eine Ziegenherde entgegen gekommen ist. Es hat auch geschneit und Holly hat ein Tuch ueber ihren Kopf und den Kopf von Luana gelegt und sie haben ausgeschaut wie Fluechtlinge. Eine nepalesische Frau hat sie zu sich in die Huette bzw unters Dach gewunken, damit sie sich waermen koennen und ihnen nepalesischen suessen Milchtee zu trinken gegeben. Mich hat ja Shiva gewaermt. Holly wollte, dass er zumindest die Buben beaufsichtigt, wenn sie ihn schon bezahlt. Aber er hatte nur Augen fuer mich und hat mich gefragt, willst du mich heiraten?. Am Abend in der Huette sind dann alle TRaeger zusammen gesessen und haben sich gegenseitig erzaehlt, was sie so gemacht haben. Ich glaube, Shiva hat auch erzaehlt, was wir so gemacht haben. Aber das haben sowieso alle gehoert, denn die Waende in den Huetten sind wiePapier. Ich habe das so genossen, nachdem mich mein Freund fuer eine 22-jahrige verlassen hat. Er ist ja immerhin erst 21, aber sehr gut gebaut, wenn du weisst, was ich meine.

Shiva ist ja der Gott der Zerstoerung und er hat meine Depression zerstoert. Das war das Beste an der Himalayabesteigung. Das Zweitbeste war der 360 Grad Rundumblick auf die achttausender Gipfel, als wir am Karfreitag oben angekommen sind. Das ist die Kaelte, den Schnee, das schlechte Essen, den Gestank und die Pfurzerei wert. Es stinken ja alle, wenn sie herunterkommen. Zuerst glaubt man, alle anderen, aber meist riecht man sich selber. Als wir wieder herunten waren, wollte mich Shiva seinen Eltern vorstellen, bevor wir heiraten oder dass ich ihn zumindest unterstuetze. Er moechte naemlich Taxifahrer werden.

Ich bin am Abend in die Jazzbar gegangen, ich will mir ja eine neue Band suchen, mit der ich singen kann. UNd tasaechlich waren da diese zwei Burschen aus Amerika, der am Bass war sogar aus New Orleans, und wir haben eine Jamsession angefangen. Und da hab ich dich reinkommen gesehen." Helen muss wieder husten und ich auch. Ich war nicht am Berg, aber am vormittag bei einem chinesischen Arzt, weil mein Husten immer wieder kommt. Er hat meinen Puls gefuehlt, meine Zunge angesehen und gesagt: zu viel Hitze. Dann hat er mir eine Infusion gegeben, ein paar Tabletten und einen Hustensaft und gesagt: eine Woche lang nichts kaltes trinken, keinen Alkohol und kein Chilli. Heute ist mein Husten schon viel besser.

Sonntag, 26. April 2009

Luftsprung

No rikhshaw, no tigerbalm, no hashish, no change money, no one rupie, no problem. Jedesmal, wenn wir in Thamel, dem Backpackerviertel in Nepals Hauptstadt Khatmandu das Guesthouse verlassen, muessen wir die gleichen Haendler abwehren. Ich bin mit Nicole, einer Australierin unterwegs, die ich am Flughafen beim Anstellen um ein nepalesisches Visum kennen gelernt habe. Beim Heimgehen um Mitternacht pfeifen oder rufen uns die nepalesischen Burschen nach: "I love your bubs" - klasser Busen - , und ein Mann, der hinter uns geht, sagt, ich dachte immer, die australischen Maenner benehmen sich Scheisse.

Nicole will zu einem Hindutempel fahren, wo Tiere geopfert werden. Wir erfragen an der Bustation die Abfahrtszeit und der Schaffner sagt, eine Stunde dreissig Minuten und da es kurz vor halb zwei ist, denke ich, er meint die Uhrzeit. Nach den ersten 500 Metern Fahrt ist klar, er meint die Fahrtdauer. Nicole sagt, es sind doch nur 20 Kilometer und ich sage, dafuer brauchen wir bestimmt zwei Stunden. Nach der Stadtgrenze und einer Stunde Fahrzeit gehts eine Bergstrasse hinauf. Ein Bus kommt uns entgegen, die Dachgalerie voller Menschen. Da weiss ich erst, was das Gepoltere ueber unseren Koepfen zu bedeuten hat: das Dach unseres Busses ist auch voll, nachdem unten bei bestem Willen niemand mehr hineingestopft werden konnte. Nach knapp zwei Stunden sind wir da und die drei Burschen, die hinter uns gesessen sind, wollen uns den TEmpel zeigen. Einer ist gerade aus Goa in Indien zurueckgekommen, wo er bereits die 5.Saison als Koch gearbeitet hat und spricht sehr gut englisch. Vom Tieropfer ist ausser dem Schlachtplatz nichts mehr zu sehen. Die Leute nehmen das Fleisch mit nach Hause, sagt er. Ich dachte immer, Hindus sind Vegetarier.

Wieder zurueck zur Busstation, damit wir den letzten Bus noch erreichen. Er kommt schon voll an und wenn wir mitfahren wollen, dann muessen wir aufs Dach hinauf. Wie soll ich da hinaufklettern, die Leiter aufs Dach hoert mit der hinteren Fensterscheibe auf. Aber ich schaffs. Oben zeigt mir der Bursch, dass er seine Flip-Flops auszieht und sich draufsetzt, damit der Hintern nicht so weh tut, wenn man auf den Galeriestaeben sitzt. Das Dach fuellt sich und ich setze mich mit dem Ruecken bergab und den Augen bergauf, damit ich nicht sehe, wie steil und eng die Strasse ist. Der Bursch neben mir drueckt mir jedesmal den Kopf hinunter, wenn wir knapp unter Aesten oder Stromkabeln durchfahren. In der hinteren Ecke sitzt ein ziemlich Betrunkener und macht in die Hose. Der Urin verteilt sich am hinteren Dach bis zu einer Querlatte, wo er nicht weiterkann, alle fluechten von dem Bereich des Dachs nach vorn, wos jetzt ziemlich eng wird. Der Schaffner steigt herauf, um von allen den Fahrpreis zu kassieren, bevor wir am Stadtrand von Kathmandu das Dach raeumen muessen.

Das Dach der Welt, das Himalayagebirge hab ich einmal beim Rueckflug aus Hongkong in der Nacht gesehen: eine dunkelbraune Masse. Beim Anflug auf Kathmandu ganz anders: weisse Schnee-oder Eisspitzen ragen aus der Wolkendecke in der gleichen Farbe, sodass ich ein paar Mal schauen muss, ob das auch wirklich Berggipfel sind. Dann der Kapitaen: Rechts im Nordosten der Mount Everest, links im Suedwesten der Annapurna, dazwischen die ganze Kette von Sieben-bis Achttausendern und weil man die heute so gut sieht, dreht er noch eine Ehrenrunde, wie mir scheint.



Nach Pokhara am Fusse der Himalayas kommen alle, um von hier ins Annapurna-Basecamp aufzubrechen. Ich nicht. Ich schaue mir die hoechsten Berge der Welt jetzt von unten an, wenn man sie sehen kann. Das ist nicht oft der Fall, nur am Morgen nach einem Gewitter. Die Biltze und der Donner ist so maechtig, wie die Berge praechtig sind. Von den niedrigeren Bergen schweben Paraglider durch die Luft. Nachdem mir immer mehr Leute erzaehlen, wie toll das ist und ich Peter kennenlerne, der Tandemfluege macht, entschliesse ich mich dazu. Wir fahren auf den Sarangkot, den Hausberg von Pokhara, etwas 1500 Meter hoch. Er breitet den Schirm aus, zieht mir meinen Rucksacksitz an, harkt mich an seinen Sitz und mit der naechsten Windboehe heisst es loslaufen Richtung Horizont. "Du darfst nicht stehenbleiben, bevor ich es dir sage, du bist wie die Spitze des Flugzeugs, wenn der Schnabel nach unten kippt, kann das Flugzeug nicht abheben." Nach fuenf Schritten ist die Absprungwiese zu Ende und ich laufe den Steilhang hinunter. Nach weiteren fuenf Schritten springe ich in die Luft, keinen Boden mehr unter den Fuessen und der Schirm traegt noch nicht, aber schon fliegen wir wie ein Vogel. Hinter uns die Berge und unter uns der See, wir steigen auf, schweben wieder hinunter, nach links und nach rechts und ich muss schreien. Peter hat ein Messgeraet und wenn es piept, bekommen wir Aufwind, einen Bergruecken entlang, bis zum naechsten, hinauf und wieder hinunter. Irgendwann bringen uns die Schleifen, die wir fliegen, der Erde immer naeher und wir landen auf einer Weide in der Naehe des Sees. Ich lege mich auf den Ruecken und schaue zum Himmel hinauf und denke mir, gerade war ich noch da oben und ich bin gluecklich.

Mittwoch, 15. April 2009

Schlafen im Tempel

Der Bus von Mandalei nach Bagan faehrt mit eineinhalb Stunden Verspaetung ab. Nach zwanzig Minuten steht er wieder, Keilriemen gerissen, wir warten auf einen neuen. Nach einer Stunde Fahrt die naechste Reparatur. Wir stehen auf einer Art Dorfplatz und eine Gruppe Kinder beobachtet uns sechs Weisse aus sicherer Entfernung. Steve, ein grossgewachsener Amerikaner moechte sich ihnen naehern. Mit lautem GEschrei rennen sie weg. Wir fahren ein Stueck zum Dorf hinaus, wieder ein Stop. Nach drei weiteren Pannen das endgueltige Aus. Jemand muss nach Bagan, den Ort, den wir ansteuern und einen Ersatzbus organisieren. Wir warten am Rand einer staubigen Landstrasse und erreichen das dreihundert Kilometer entfernte Bagan nach zwoelf Stunden. Beim Abendessen erzaehlt ein Amerikaner, dass seine Mutter geweint hat, als er ihr sagte, er wolle nach Myanmar.


Ich borge mir ein Fahrrad aus, um die Tempel, Stupas und Pagoden rund um Bagan zu erfahren. Maedchen sitzen unter Baeumen, vor ihnen ein Tisch mit einem Tastentelefon, das Kabel verschwindet irgendwo zwischen den Aesten. Manchmal telefoniert auch jemand. Andere verkaufen Benzin in Ein-Liter-PLastikflaschen fuer zwanzig oder mehr Jahre alte Toyotas oder Kia-Busse, manche rechts und manche links gesteuert. Am Dorfplatz hinter dem dritten Baum eine Wirtin. Sie hebt die Deckel der Toepfe, damit ich mir das Essen aussuchen kann. Hendl, Schweinefleisch, Schweisnhaxen oder Rindfleisch. Ich nehme Rindfleisch, es ist ein pikantes Gulasch, dazu gibts Kuerbisgemuesesuppe, Reis und fuenf verschiedenen Salate, Erdaepfel mit Erdnuessen, Paradeiser mit Gruenzeug, Sojasprossen, Melanzani und Wurzelgemuese. Nach dem Essen nehmen die Leute ein Haeferl, das an einem Nagel am Baumstamm haengt und schoepfen Wasser aus einem Tonkrug und trinken es, ohne den Rand des Haeferls zu beruehren. Was auf dem Tisch in den Schuesseln uebrigbleib, wandert wieder in die Toepfen. Ein Bauer parkt seinen Ochsenkarren im Schatten ein, dahinter ein Lastwagen, die Ladeflaeche voller Menschen, heute ist Sonntag, ein Ausfluegstag.


Der suesse Duft von bluehenden Baeumen liegt in der Luft, es ist staubig und still in der Mittagshitze. Ich fahre weiter, hinunter zum Irrawadyfluss, breites Flussbett, die Haelfte davon Sandbaenke, dann eine kleine Anhoehe hinauf. Im 360 Grad Blickfeld ein TEmpel nach dem anderen, hinter dem anderen, neben dem anderen, rot, gold, weiss, alt, neu, gross, klein, etwa 4000 insgesamt. Einen alten roten Ziegelbau aehnlich Angkor Wat in Kambodscha will ich mir naeher anschauen. Die TEmpelhaendler am Zu- und Eingang kann ich abwehren, ich finde ein ruhiges PLaetzchen. Ein Maedchen kommt und breitet eine Decke auf dem Steinboden aus. "Ich bin muede, du auch, komm, schlafen wir eine Runde." Wir legen uns nebeneinander auf die Decke und machen die Augen zu. Als wir eine halbe Stunde spaeter durch Getrampel aufgeschreckt werden und ich mich aufsetze, steht eine Gruppe von dreissig Menschen um uns herum und starrt mich an. Zuerst starre ich zurueck, dann stehe ich auf, es ist Zeit, zu gehen.


Mit dem Rad zurueck im Ort sehe ich eine Tafel, die auf eine Wahrsagerin hinweist, bleibe stehen, gehe hinein und setze mich ihr gegenueber. Eine alte Frau mit markantem Gesicht, sieht nicht sehr asiatisch aus, grauen Haaren und viel weisser Paste im GEsicht. Ein Dolmetsch sitzt neben ihr. Sie schaut meine Handflaechen an und sagt, dass viele gute Geister um mich herum sind und auf mich aufpassen, meine Familie mich liebt, ich im Ausland arbeiten und erfolgreich sein werde, dann werde ich nach Oesterreich zurueckkehren. Heuer werde ich keinen Ehemann finden, ich werde ein langes Leben haben, wenn ich heirate, werde ich ein Kind haben und spaeter wird noch ein Adoptivsohn dazukommen. "Noch Fragen?", sagt sie und zuendet sie sich eine Cheerot, eine hiesige Zigarre an. "Nein", sage ich, bedanke mich, zahle und gehe.


Die Italiener und Belgier warten auf mich, wir sind bei einem burmesischen Maedchen eingeladen, dem sie Makeup, Parfum, Lippenstift, eine Jeans und Tops geschenkt haben. Sie holt uns ab und hat Geschenke - Lackarbeiten, fuer die sie hier bekannt sind, mitgebracht. Wir gehen mit ihr am Markt vorbei eine kleine GAsse hinein, finster, am Wegrand Dreck, Hunde und Schweine. Vor einer der Huetten bleibt sie stehen, mein Haus sagt sie. Die Gartentuer ist offen, denke ich, aber es ist die Haustuer. Drinnen ein PLateau etwa einen halben Meter hoch, 3x3 Meter, ein niedriger Tisch steht drauf, wir ziehen die Flip-Flops aus, steigen hinauf und setzen uns. Dahinter in der Ecke ein etwas gleich grosses Plateau, darauf liegt jemand. "Mein Vater", sagt das Maedchen, "er hat einen schlechten Fuss."

In der Ecke links ist eine Feuerstelle. Das Essen steht schon auf dem Tisch. Es gibt Reis, gebratenes Hendl und Fisch, Teeblattsalat, Sojasprossen, Spiegeleier. Das Maedchen, ihr Mann, ihre 2 Brueder, ihre Schwaegerin, ihre Mutter, ihre Tante und ihr Sohn schauen uns beim Essen zu. Das Maedchen sitzt neben uns und ihr Sohn setzt sich zu ihr. Er ist zweieinhalb und sie still ihn. Nichten und Neffen im etwa gleichen Alter sitzen daneben. Der juengere Bruder im Moenchsgewand mit Freund, auch Moench, schaut vorbei. Hunde und Schweine schauen bei der Tuer herein, hinter uns roechelt der alte Mann. Als noch ein paar Nachbarn kommen, muessen ein paar Leute die Leiter hinauf auf den Zwischenboden, wo sonst alle schlafen, steigen, um PLatz zu machen. Wir essen gerade soviel, damit es nicht unhoeflich ist und wir trotzdem nicht das Gefuehl haben, ihnen allzuviel wegzuessen.

Am naechsten Tag will ich meinen Flug zurueck nach Rangon und von dort nach Bangkok buchen. "Heute gibts keinen Strom, kein Telefon, kein Fax und kein Internet, vielleicht spaeter", sagt der Mann, den ich gerade aufgeweckt habe. Spaeter bucht er mir tatsaechlich die gewuenschten Fluege, ich bekomme ein Fax mit einer Nummer drauf, zahle und hoffe, dass das an den Flughaefen als Ticket oder zumindest Reservierungsnummer durchgeht. Dann halte ich auf der Strasse das naechste Pferdefuhrwerk auf, setze mich hinten in den PLanenwagen und sage zum Kutscher: "Zum Flughafen bitte."




Freitag, 3. April 2009

Die Strasse nach Mandalei

Myanmar oder Birma oder Burma, wie immer man dieses Land nennt - es ist viel zu heiss hier. Um acht Uhr frueh komme ich am Flughafen in Rangon an und es hat 40 Grad, nach einer Nacht am Flughafen in Bangkok, der auf etwa 10 Grad gekuehlt ist. Ein netter TAxifahrer und Sohn bringt mich ins Hotel Beautiland 2, die Frauen gehen mit Schirmen auf der Strasse. Ich packe meinen Regenschirm aus und tue das gleiche. Ein alter Mann kommt mir entgegen, Geld wechseln?, fragt er - hier gibts keine Bankomaten. Nein, will ich sagen, ich habe schon, da zischt ein Fussball an unseren Koepfen vorbei. Ein Bub laeuft ihm nach. "Als ich jung war, habe ich das gleiche gemacht", sagt er und ich denke, in Europa kann das kein Opa mehr zu seinem Enkel sagen, Fussballspielen auf der Strasse ist vorbei.



Am Abend gehe ich in die Swedagonpagode, ein riesiges glockenfoermiges Gebilde in Gold. Ich setze mich in eine offene Saeulenhalle, vor mir treffen die letzten Sonnenstrahlen den Goldmantel und ein junger Mann stellt mir die ueblichen Fragen. Die erste ist wie immer "Woher kommst du?" und ich sage aus Oesterreich und er kennt Mozart und die Habsburger, Beethoven und Goethe. Da will ich wissen, was er macht. "Ich studiere Literaturwissenschaften", sagt er "und hab meine Diplomarbeit eingereicht, die Sommerferien haben heute begonnen". Ich will wissen, zu welchen Thema und er sagt "Neue burmesische Literatur im Vergleich" und ich denke, nichts koennte die Welt weniger interessieren.



Die zweite Frage ist immer, wie ich heisse. Ich sage Edith und er fragt, ob ich an einem Sonntag geboren bin und ich sage fast, 30 Minuten nach Mitternacht. Und er sagt, hier in Myanmar werden Kinder, die an einem Sonntag geboren sind, auf einen Namen getauft, der mit a,e,i,o,u anfaengt und wenn man an einem Montag geboren ist, bekommt man einen Namen, der mit k, ke, g, ga, nye anfaengt und er weiss auch, dass diese Buchstaben fuer einen Europaeer keinen grossen Unterschied machen. Ich frage nach seinem Namen und er sagt Nyein Moe, das heisst friedlicher Himmel oder Regen. Ich sage: "Also bist du auch an einem Montag geboren?" "Nein", sagt er, "mein Vater war Kommunist und hat nicht an diese Sachen geglaubt. Ihm hat der Name gefallen."


Eine Kehrbrigarde rueckt immer naeher und kehrt den Platz, jede Person hat in jeder Hand einen Besen. Zuerst eine Reihe Frauen, dann eine Reihe Maenner, dann eine Reihe mit Mistaufkehrern. "Heute ist Freitag, heute kehren die, die an einem Freitag geboren sind. Der Putzdienst ist Ehrensache, so kommen Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten zusammen, Arbeiter, Aerzte, Lehrer, Beamte und Bauern", erklaert mir mein Student. Obwohl hier niemand Schuhe tragen darf, ist es doch ganz schoen staubig. "Und die dort drueben mit dem Wasser, putzen die auch?", frage ich. "Nein, jeder betet bei seinem Geburtstagsbuddha und da gehoert dazu, dass man ihn mit Wasser uebergiesst. Wir koennen zu deinem Montagsbuddha gehen, er steht im Osten, ist dem Mond zugeordnet und wird von einem Tiger bewacht." Wir gehen hin. "Du musst so viele Schalen Wasser ueber ihn giessen, wie alt du bist." Das mach ich.


Wo ich in Myanmar noch hin will, will er wissen. Mandalei, Bagan und Inlesee, sage ich. Da ist es noch heisser als hier, sagt er, nur am Inlesee ist es kuehler, weil der etwas hoeher liegt. In der Nacht tropft mir der Schweiss beim Liegen in den Nacken und erst gegen morgen wirds etwas kuehler, da schreit auch schon der Muezzin von der nahen Moschee "Allah akba" - Gott ist gross. Ich buche einen Flug an den Inlesee. Am Abend gehe ich wieder in die Pagode und setze mich an die gleiche Stelle. Neben mir sitzt eine Familie: Grosseltern, Eltern, Kleinkind. Als das Kind in die Hose macht( die Kinder tragen keine Windeln), gehen sie . Dann kommt eine etwa 40-jaehrige Frau mit Halskette und Ohrringen, nimmt eine Art Rosenkranz aus der Tasche und beginnt mit lautem Gemurmel zu beten. Etwas spaeter eine aeltere, breitet eine Decke aus, setzt sich drauf und macht das gleiche, ist bestimmt die Mutter. Dazwischen laeutet immer wieder das Handy und das ist hier noch eine Seltenheit. Die Aeltere schaut ganz streng, wenn die Juengere nicht sofort abhebt.


Als es dunkel wird, gehe ich auf den hinteren PLatz, von dort kann man die Edelstein besetzte Spitze der Pagode funkeln sehen. Mein Student kommt mir entgegen, mit ihm ein buddhistischer Moench. Wir gehen hinunter in eine Teestube zum Reden und dann moechte der Moench mein Geburtsdatum wissen. Er kalkuliert mit den Zahlen und und dann sagt er: Ich bin eine geborene Chefin, meine Geschwister, Freunde und Kollegen hoeren auf mich, ich bin ruhig, denke logisch, ueberlege sehr sorgfaeltig und brauche deshalb laenger als andere, um eine Entscheidung zu treffen. In der Ehe habe ich kein Glueck, aber ab 52 wirds besser. Am besten passt ein Mann zu mir, der an einem Donnerstag geboren ist, am zweitbesten Dienstag, am schlechtesten Freitag. Mit meinen Eltern habe ich mich nicht gut verstanden bis ich 19 war. Verkauf oder Handel ist der beste Job fuer mich, besonders mit Gold, heller KLeidung und Elektrik. Ich wiederhole: Gold, Kleidung oder Elektrik. Nein, sagt er, Gold, heller Kleidung und Elektrik. Es ist besser, wenn ich an einem Ort lebe, der weit weg ist von meinem Geburtsort oder Land und einen Mann heirate, der von weit weg ist. Die letzten vier Monate des Jahre muss ich auf meine Gesundheit aufpassen, besonders auf den Kopf und das Hirn, es gibt Blut im Kopf, ein Unfall. "Was kann ich tun?", frage ich. "Ganz einfach", sagt er. Bestimmte Blueten und Blaetter unter den Kopfpolster legen und wir gehen nochmals in die Pagode, wo ich die Blumen kaufe und der Moench die Blaetter von einem Baum im Garten holt.


Vom Inlesee fuehrt ein Seitenarm durch den Ort Ngwe Shwang, die Boote tuckern wie frueher die TRaktoren. In dem Kanal haben bis zu 5 Boote nebeneinander PLatz, links und rechts wird ein- und ausgeladen, gehandelt, getratscht und dazwischen fuer ankommende oder durchfahrende Boote PLatz gemacht. An der Strasse daneben wird gerade ein Haus gebaut. Die Grundpfeiler aus Holz, der Fussboden etwa einen halben Meter ueber dem Boden, die Waende aus einem Bambusgeflecht und das Dach aus Stroh. Zehn Handwerker mit ihren Helfern haemmern und saegen, zwischen zwoelf und ein Uhr ist Mittagspause. Die Frauen tragen weisse Paste im Gesicht. Es ist das zu Pulver vermahlene Holz des Thanakhabaumes, schuetzt gegen Sonne und kuehlt die Haut. Nachmittags gehen junge Nonnen von einem Haus zum anderen und bekommen jedes Mal einen Loeffel REis in ihre Schuessel. Wenn es Strom gibt, plaerrt irgendwo ein RAdio oder alle sitzen vor einem Fernseher. Am See stehen die Maenner auf den schmalen langen Booten, rudern mit einem Bein und werfen ihre Netze aus. Zwischen See und Land schwimmen Gaerten, wo Paradeiser, Kraut und Erdaepfel wachsen. Die Haeuser stehen auf Stelzen, Wasserbueffel grasen zum Festland hin und am Abend werden sie gebadet. Wenn es finster ist, zuenden die Leute Kerzen an und alle paar Ecken sitzen Burschen zusammen, einer spielt Gitarre und sie singen die heimische Hitparade rauf und runter.




Ich gehe in den Ort und bestelle in einem Kaffeehaus schwarzen Kaffee, er kommt mit Zitrone. Schmeckt erfrischend. Am Abend treffe ich die Leute wieder, die ich bei der Bootsfahrt kennengelernt habe. Rachel und Enzo aus Italien, die in Caterbury eine Baeckerei haben, sind schon fertig. "Belgien duscht nocht", sagen sie. Mit Jurie und Gret aus Belgien gehen wir dann essen und am naechsten Tag gehts weiter nach Mandalei. Warum der Name dieses Ortes so einen magischen KLang hat, kann ich nicht feststellen. Etwas ausserhalb auf dem Huegel Sagain wieder viele Pagoden voller Gold und am Ufer des Irrawadyflusses eine Huette neben der anderen. "Wenn Regenzeit ist und der Wasserpegel ansteigt, werden die Huetten weggeschwemmt und die Menschen uebersiedeln auf die hoeher gelegene Strasse", sagt mein Fahrer. "Die Pagoden auf den Huegeln sind fuer die Moenche und Nonnen da."








Mittwoch, 18. März 2009

Wo ist dein Ehemann?

In Bangkok gehe ich nach elf Wochen Indien einkaufen. Es ist Samstag und wird ein Kulturschock fuer mich, in die andere Richtung. Und ich hab das Gefuehl, der Urlaub ist vorbei. Aber ich hab ja ein Sommerkleid an. Als ich das Einkaufszentrum verlasse, schlaegt mir die Hitze entgegen, es ist laut und aus den Kanaelen stinkt es. Was ist der Unterschied zwischen Indien und dem Westen, und Bangkok ist (fast) wie der Westen, hatte ich einen Inder gefragt. Die Antwort: Im Westen gibt es immer Strom, es ist sauber, alles faehrt puenktlich, die Leute halten sich an die Verkehrsregeln und es gibt keine streunenden Tiere.








Am Abend am Swimmingpool lerne ich Till kennen, einen Deutschen, der auf einer Insel war, wo sein Freund den Dreissiger gefeiert hat. "Morgen flieg ich zurueck, aber wenn du laenger bleibst, kannst du dir fuer den Pool im Marriotthotel, das gleich vorne an der Ecke ist, eine Tageskarte kaufen." Ich sage: "Wenn ich noch mit meinem Ex verheiratet waere, wuerde ich jetzt dort wohnen." Und er: "Was soll ich sagen, selber schuld", und wir muessen beide lachen und haben einen lustigen Abend, den ich bestimmt nicht gehabt haette, wenn ich im Marriott wohnen wuerde. Ich bin hier, um auf ein Visum nach Myanmar zu warten. Es kommt ein mail von Flori, dass morgen sein Lipom am linken Ellbogen operiert wird. Als Kind war das schon zweimal gemacht worden, zuletzt vor 15 Jahren. Jetzt ist es wieder sehr gross und die OP war fuer Dezember geplant gewesen, hat aber wegen Grippe nicht stattgefunden. Dem Onkel und zugleich Doktor Hik ist am morgigen Montag ein Patient ausgefallen, also kommt Flori dran. Ich denke, es wird alles gut gehen, der Mond ist im abnehmen. Zuerst schaut es gut aus, aber am Nachmittag blutet die Wunde nach und wird vom Onkel Doktor Hik nochmals geoeffnet. Ich kaufe mir eine thailaendische SIM-Karte fuers Handy, damit ich anrufen kann und bin einigermassen beruhigt, dass die Komplikationen vorbei sind und Flori auf dem Weg der Besserung.








Andrea und Sigi haben einen Thailandurlaub geplant und werden Ende der Woche in Bangkok eintreffen. Mein Visum hab ich schon, jetzt warte ich auf die beiden. Wir treffen uns wie vor drei Jahren in der Sunsetbar, als Andrea ihren Asienurlaub hier beendet und ich meinen hier begonnen hab. Wir fahren wie damals nach Chinatown und danach in die Skybar, wo sie uns aber nicht hineinlassen - lange Hosen fuer Maenner und Schuhe fuer Frauen. Damals war es nicht so streng, denn Chris, mein amerikanischer Begleiter hatte garantiert kurze Hosen an. Nach weiteren drei TAgen Bangkok gehts weiter nach Chiang Mai, einer Stadt in Nordthailand. Beim Stadtrundgang sehe ich auf einem Tempelgelaende das Schild "Fortuneteller" - Wahrsager - und eine Telefonnummer.








"Da gehe ich vielleicht hin", sage ich und Andrea fragt, ob ich keine Angst habe, dass er mir was Schlechtes vorraussagt. "Nein", sage ich, "was Schlechtes wuerden sie nicht sagen". Obwohl in der Sekunde faellt mir die Geschichte von Titziano Terzani ein. Ich habe sein Buch "A Fortuneteller told me" - ein Wahrsager hat mir prophezeit - vor Jahren gelesen. Er hat als jahrelanger Asienkorrespondent des "Spiegel" den Kontinent bereist ist immer wieder an verschiedenen Orten zu Wahrsagern gegangen. Einer hatte ihm gesagt, in einem bestimmten Jahr duerfe er nicht fliegen, das Flugzeug wuerde abstuerzen und er wuerde es nicht ueberleben. Als das Jahr naeher kam, machte er mit seinem Chefredakteur aus, dass er nur zu Land und zu Wasser reisen wuerde. Sollte ein EReignis einen rascheren Einsatz erfordern, wuerde ein Kollege hinfliegen. So geschah es auch und das Flugzeug stuertzte tatsaechlich ab, der Kollege ueberlebte. Danach nahm sich Terzani ein Jahr Auszeit und reiste auf dem Landweg von Asien in seine Heimatstadt Florenz und fuhr mit dem Schiff von Genua wieder zurueck. Das Buch beschreibt diese Ereignisse, aber mehr noch, wie aus einem kopfgesteuerten Westler ein Bhuddist wird, der sich dann in ein Kloster zum Meditieren zurueckzieht.








Andrea und Sigi fliegen am Sonntag nach KOh Samui und ich verbringe den TAg am Pool ihres Boutiquehotels. Als ich am Abend hinausgehe und mich nach Essen umschauen will, haben sich die Strassen in einen grossen Markt verwandelt, wo ich herumschlendere und dann stehe ich wieder vor dem Schild Fortuneteller. Ich gehe durch den Hof des TEmpels und sehe eine Frau vor einem Tisch sitzen, die mich zu sich winkt. Sie sagt: "Ich lese aus der Hand, aus den Karten und aus dem Gesicht, 200 Bhat." Das sind fuenf Euro und schon sitzte ich vor ihr. Die linke Hand ist fuer die Vergangenheit, das stimmt schon mal. Jetzt die rechte. "Oh, its a new man", sagt sie, ein neuer Mann, sagt sie immer wieder und ist dabei aufgeregter als ich. Und sehr praezise: im August werden wir uns treffen, er ist Geschaeftsmann mit Geld, in meinem Alter, mit weisser Hautfarbe und Englaender. Oder vielleicht aus Australien oder Neuseeland, da ist sie sich nicht sicher, jedenfalls nicht aus Europa. In den Karten ist er auch gleich praesent, sie kanns gar nicht fassen. Jedenfalls werden wir heiraten und naechstes Jahr in unseren Flitterwochen sollen wir bei ihr vorbeischauen. Dann darf ich sechs Fragen stellen, mir faellt gleich gar nichts ein, weil sie ueber alles Bescheid weiss und dauerd redet. Dann frage ich nach Kindern, Eltern, alles gut, sagt sie und meiner GEsundheit. "Stark wie ein junger Mann", ist die Antwort und das ueberprueft sie noch mit der Studie meines GEsichts.








Mit so viel Erkenntnis fahre ich weiter nach Pai, einem kleinen Ort noch weiter noerdlich, da ich von Chiang Mai sowieso nicht nach Myanmar kann, sondern nur von Bangkok. In Pai lerne ich ein thailaendisches Paar kennen, David und Sophia. Er ist Chirurg und sie haben zehn Jahre in Texas gelebt, aber ihre Eltern sind Chinesen. Wir schauen uns gemeinsam die Gegend an, einen Tempel, einen Wasserfall und ein chinesisches Dorf. Dann beim Kaffeetrinken fragt Sophia: "Glaubst du an Gott oder dem Wahrsager?" Da erzaehle ich von den Prophezeihungen und Sophia sagt: "Ich wollte dich sowieso die ganze Zeit fragen, wo dein Ehemann ist."

Freitag, 27. Februar 2009

Am Wasser

Jerome bekommt auf der Insel eine richtig dunkle Hautfarbe. "Die Leute halten mich fuer einen Inder", sagt er. Am Strand gibts eine Vollmondparty und sie wollten ihn fast nicht hineinlassen, denn Inder sind hier nicht zugelassen, die trinken zu viel, heisst es. Der Meeresspiegel steigt zuerst ganz stark an und geht dann sehr weit zurueck. Das Meer ist viele Meter weit trocken und es sieht aus wie eine Mondlandschaft im hellen Mondlicht. Jerome faehrt morgen zurueck nach Port Blair, sein Visum gilt nur mehr zwei Tage und er will nochmal nach Wandoor. Meins laeuft auch aus, aber ich bleibe noch zwei Tage hier. Auf der Ueberfahrt treffe ich Fabio wieder, er war inzwischen auf Neil Island, da gibts noch bessere Riffs zum Schnorcheln als in der Elefant beach.





Ich bin am Tag vor der Abreise dann doch noch hingefahren, zumindest so weit man fahren kann. Der Zugang zur Elefant beach ist versteckt, nur ein paar parkende Mopeds verraten ihn und ich verrate ihn einem Paar aus Schweden. Wir gehen gemeinsam einen kaum merkbaren Weg durch den Dschungel, hinter uns eine Gruppe Israelis, eine von ihnen war schon da. Das Maedchen erzaehlt, dass sie dabei war, als ein Bursche hier von einer Schlange gebissen wurde. Er blieb ganz cool, jemand hat die Schlange fotographiert, um das Gegengift bestimmen zu koennen. Dann haben sie ihn abtronsportiert und alles ist gut gegangen. Ich starre wie paralysiert auf den Weg, bin aber in der Mitte der Gruppe und hoffe, dass sich die Schlangen verzogen haben. Die Inder tragen deshalb Fussketten. Das Gebimmel hoeren die Schlangen schon von weitem und verkriechen sich. Nach einer halben Stunde Fussmarsch kommen wir zu einem Sumpf. "Wessen verdammte Idee war das denn?" fragt jemand und wir starren alle auf den Sumpf. Ein Bursche fasst sich ein Herz: "Da gehen jeden Tag Leute durch", sagt er und tut es auch. Wir gehen hinterher, der Sumpf ist erstaunlich fest, wir kommen an die Elefant beach und das Korallenriff ist nur ein paar Meter vom Strand entfernt. Ich schnorchle eine Weile herum und als ich merke, dass eine indische Familie mit dem Boot Richtung Hafen aufbricht, fahre ich mit ihnen zurueck.





Fabio lacht mich aus. Er hat zwar studiert, dann aber beschlossen, Biobauer zu werden und ist mit der Natur auf du und du. Er hat vor 5 jahren mit 27 gemeinsam mit einem Partner ein altes KLoster samt dazugehoerigen Laendereien gepachtet und muss demnaechst zurueck zur Landwirtschaft. Am Flughafen in Port Blair treffe ich Sewan wieder, wir hatten schon in Havelock festgestellt, dass wir am gleichen Tag nach Kalkutta fliegen. "Du warst aber gar nicht auf der Faehre", sage ich. "Nein, ich habe mich zwischenzeitlich verliebt und sie musste schon frueher abreisen, ihre Aufenthaltserlaubnis ist schon vor zwei Tagen abgelaufen. Also bin ich mit ihr hierher gefahren. In 2 Tagen treffen wir uns in Dehli."





In Kalkutta hab ich ein Zimmer im Fairlawn Hotel bekommen, 2 Maedchen in Havelock haben mir gesagt, man muss nur hartnaeckig genug sein. Ein altes Kolonialhaus mit einer 87-jaehrigen Besitzerin, fuenf Bedienste springen, wenn sie nur mit der Wimper zuckt. Ein Gong ruft zu den Mahlzeiten, gegessen wird gemeinsam, was die livrierten Diener servieren. Es gibt Chicken Tikka Masala, mein erstes Fleisch seit 11 Wochen und in Indien ueberhaupt, aber ich wollte das autentisch zubereitet ohnehin einmal kosten. Ich sitze mit Silvia, einer Italienerin an einem Tisch. "Heute ist mein 70. Geburtstag und die Leprakranken machen ein Fest fuer mich", sagt sie. Seit 9 Jahren kommt sie hierher, um fuer einen Monat im Jahr Freiwilligenarbeit zu leisten. "Ich habe eine Freundin aus Oesterreich, sie lebt allerdings in Argentinien. Sie heisst Pipi Mandel." Ich sage: "Doch nicht die Tochter von dem Mandel, der zuerst mit der Schauspielerin verheiratet war?" "Hedy Lamarr meinst du, ja genau der Fritz Mandel. Seine zweite Frau, ihre Mutter, war Argentinierin, so wie meine Mutter auch. Aber seine dritte Frau hat das ganze Geld abgeraeumt." Ich frage nicht, ob sie Juedin ist, aber sie erzaehlt, dass sie in Zuerich - am Weg - geboren wurde. "Wie ist denn Oesterreich jetzt ohne Haider? Warst du fuer oder gegen ihn?", fragt sie. "Na gegen, ist doch klar." "Und stimmt es, dass er schwul war?" "Na sicher, dass wusste doch eh jeder." "Na du vielleicht, aber sonst?" Ich schenke ihr einen Perlmuttarmreifen, den ich in Port Blair gekauft habe, zum Geburtstag. Sie freut sich und geht zu ihrem Fest.





Ich gehe mir die Stadt anschauen, zuerst zum Indian Coffee House im Univiertel, koennte auch in Wien sein. Voller Studenten und einigen gewesenen, ueberall wird heftig diskutiert, sodass man den Baustellenlaerm kaum hoert, es wird gerade renoviert. Und die Kellner typische Kaffeehauskellner, irgendwann bekommt man dann doch was. Wieder auf der Strasse sehe ich Waende voller Buecher, ein Buecherkiosk neben dem anderen, da gibts sicher alles, was man sonst wo auf der Welt nicht mehr findet. Dazwischen eine Studentendemo gegen die Kuerzung des Unibudgets. Im Taxi zum Victoriamemorial, an riesigen Parks vorbei, das gibt eine Idee von der Macht des Britischen Empire. Auf dem Weg zum Hotel treffe ich Sewan nochmals, wir essen gemeinsam, bevor er nach Dehli faehrt. Der GAstgarten vor dem Hotel ist TReffpunkt fuer Westler aller Art. Ich lerne John kennen, er kommt aus Kanada, hat in Frankreich und Japan gelebt und dann entdeckt, dass er sich in Indien zu Hause fuehlt. "Da hast du aber Glueck, dass du weisst, wo deine Wurzeln sind", sage ich. Er nickt mit dem Kopf so wie ein Inder, ja, nein,vielleicht. "Glueck oder nicht, hier ist die Erde, die mich naehrt", sagt er.





Am naechsten Tag fahre ich zuerst zum Blumenmarkt, Farben und Duefte, soweit man sehen und riechen kann und dann bin ich bereit fuer Mutter Teresa, ich fahre ins Mutterhaus. Als ich hinkomme, ist es gerade Mittag und eigentlich geschlosen. Zwei anderen Frauen stehen schon vor der Tuer und verhandeln wegen des Einlasse und so duerfen wir dann hinein. Ich gehe in den grossen Raum unten, wo ihr Sarkopharg steht und der als Kapelle dient. In dem Moment, wo ich ihn betrete, fange ich zu weinen an und weine und weine und weine. Es dauert lange, bis der Traenenfluss aufhoert. Dann schaue ich mir die Ausstellung zu ihrer Lebensgeschichte an und die Traenen kommen wieder. Inzwischen sind mehr Leute da und ein Inder fragt, ob wir ihre Stimme hoeren koennen. Eine Schwester macht die typische Kopfbewegung und ich muss denken an meine Kindergartentage, als die Klosterschwestern im Kindergarten eine Sparkasse aufgestellt hatten fuer die Mission, wie es hies. Wenn man eine Muenze hineinwarf, bewegte ein kleines Negerlein zum Dank den Kopf so wie die Inder. Und die Schwestern lasen immer wieder Geschichten vor, was das denn ist, die Mission. Eine davon endete mit: "Und sie zog ihre seidenen Struempfe aus und blieb bei den Armen, und ihnen zu helfen."





Am Abend im Hotel ist Silvia sehr gluecklich ueber ihre Geburtstagsfeier und zeigt Fotos. Eine junge Frau an unserem Tisch fragt, wie es denn gekommen ist, dass sie Leprakranke betreut. Silvia erzaehlt, dass sie vor 9 Jahren nach Hongkong geflogen ist, um ein Schmuckstueck fuer die Queen zu liefern. 2 Wochen spaeter sollte sie in Dubai sein. Und da hat sie sich mal Kalkutta angeschaut, liegt ja in der Mitte. Jetzt kommt mir der Armreifen, den ich ihr geschenkt habe, mikrig vor, aber sie traegt ihn. John ist wieder im Gastgarten draussen und fragt, wie mein Tag war. Ich erzaehle ihm vom Mutterhaus und von den Traenen. Da sagt er: "Bengalen, das ist der Staat, wo wir jetzt sind, ist die Heimat der watergypsies, also der Wasserzigeuner. Und das heisst auch, dass erwachsene Maenner, wenn sie eine Geschichte erzaehlen, zu heulen beginnen, so nahe am Wasser sind die gebaut." Da faellt mir meine Urgrossmutter ein, die ich sehr gern hatte und die gestorben ist, als ich 10 Jahre alt war. Ihre Mutter war Zigeunerin, wird erzaehlt. Und mir kommt vor, als waere sie gerade hier hinter dem Vorhang verschwunden, nachdem sie mich den ganzen Tag begleitet hat. "Vielleicht hast du ja auch deine Wurzeln gefunden", sagt John.