Sonntag, 26. April 2009

Luftsprung

No rikhshaw, no tigerbalm, no hashish, no change money, no one rupie, no problem. Jedesmal, wenn wir in Thamel, dem Backpackerviertel in Nepals Hauptstadt Khatmandu das Guesthouse verlassen, muessen wir die gleichen Haendler abwehren. Ich bin mit Nicole, einer Australierin unterwegs, die ich am Flughafen beim Anstellen um ein nepalesisches Visum kennen gelernt habe. Beim Heimgehen um Mitternacht pfeifen oder rufen uns die nepalesischen Burschen nach: "I love your bubs" - klasser Busen - , und ein Mann, der hinter uns geht, sagt, ich dachte immer, die australischen Maenner benehmen sich Scheisse.

Nicole will zu einem Hindutempel fahren, wo Tiere geopfert werden. Wir erfragen an der Bustation die Abfahrtszeit und der Schaffner sagt, eine Stunde dreissig Minuten und da es kurz vor halb zwei ist, denke ich, er meint die Uhrzeit. Nach den ersten 500 Metern Fahrt ist klar, er meint die Fahrtdauer. Nicole sagt, es sind doch nur 20 Kilometer und ich sage, dafuer brauchen wir bestimmt zwei Stunden. Nach der Stadtgrenze und einer Stunde Fahrzeit gehts eine Bergstrasse hinauf. Ein Bus kommt uns entgegen, die Dachgalerie voller Menschen. Da weiss ich erst, was das Gepoltere ueber unseren Koepfen zu bedeuten hat: das Dach unseres Busses ist auch voll, nachdem unten bei bestem Willen niemand mehr hineingestopft werden konnte. Nach knapp zwei Stunden sind wir da und die drei Burschen, die hinter uns gesessen sind, wollen uns den TEmpel zeigen. Einer ist gerade aus Goa in Indien zurueckgekommen, wo er bereits die 5.Saison als Koch gearbeitet hat und spricht sehr gut englisch. Vom Tieropfer ist ausser dem Schlachtplatz nichts mehr zu sehen. Die Leute nehmen das Fleisch mit nach Hause, sagt er. Ich dachte immer, Hindus sind Vegetarier.

Wieder zurueck zur Busstation, damit wir den letzten Bus noch erreichen. Er kommt schon voll an und wenn wir mitfahren wollen, dann muessen wir aufs Dach hinauf. Wie soll ich da hinaufklettern, die Leiter aufs Dach hoert mit der hinteren Fensterscheibe auf. Aber ich schaffs. Oben zeigt mir der Bursch, dass er seine Flip-Flops auszieht und sich draufsetzt, damit der Hintern nicht so weh tut, wenn man auf den Galeriestaeben sitzt. Das Dach fuellt sich und ich setze mich mit dem Ruecken bergab und den Augen bergauf, damit ich nicht sehe, wie steil und eng die Strasse ist. Der Bursch neben mir drueckt mir jedesmal den Kopf hinunter, wenn wir knapp unter Aesten oder Stromkabeln durchfahren. In der hinteren Ecke sitzt ein ziemlich Betrunkener und macht in die Hose. Der Urin verteilt sich am hinteren Dach bis zu einer Querlatte, wo er nicht weiterkann, alle fluechten von dem Bereich des Dachs nach vorn, wos jetzt ziemlich eng wird. Der Schaffner steigt herauf, um von allen den Fahrpreis zu kassieren, bevor wir am Stadtrand von Kathmandu das Dach raeumen muessen.

Das Dach der Welt, das Himalayagebirge hab ich einmal beim Rueckflug aus Hongkong in der Nacht gesehen: eine dunkelbraune Masse. Beim Anflug auf Kathmandu ganz anders: weisse Schnee-oder Eisspitzen ragen aus der Wolkendecke in der gleichen Farbe, sodass ich ein paar Mal schauen muss, ob das auch wirklich Berggipfel sind. Dann der Kapitaen: Rechts im Nordosten der Mount Everest, links im Suedwesten der Annapurna, dazwischen die ganze Kette von Sieben-bis Achttausendern und weil man die heute so gut sieht, dreht er noch eine Ehrenrunde, wie mir scheint.



Nach Pokhara am Fusse der Himalayas kommen alle, um von hier ins Annapurna-Basecamp aufzubrechen. Ich nicht. Ich schaue mir die hoechsten Berge der Welt jetzt von unten an, wenn man sie sehen kann. Das ist nicht oft der Fall, nur am Morgen nach einem Gewitter. Die Biltze und der Donner ist so maechtig, wie die Berge praechtig sind. Von den niedrigeren Bergen schweben Paraglider durch die Luft. Nachdem mir immer mehr Leute erzaehlen, wie toll das ist und ich Peter kennenlerne, der Tandemfluege macht, entschliesse ich mich dazu. Wir fahren auf den Sarangkot, den Hausberg von Pokhara, etwas 1500 Meter hoch. Er breitet den Schirm aus, zieht mir meinen Rucksacksitz an, harkt mich an seinen Sitz und mit der naechsten Windboehe heisst es loslaufen Richtung Horizont. "Du darfst nicht stehenbleiben, bevor ich es dir sage, du bist wie die Spitze des Flugzeugs, wenn der Schnabel nach unten kippt, kann das Flugzeug nicht abheben." Nach fuenf Schritten ist die Absprungwiese zu Ende und ich laufe den Steilhang hinunter. Nach weiteren fuenf Schritten springe ich in die Luft, keinen Boden mehr unter den Fuessen und der Schirm traegt noch nicht, aber schon fliegen wir wie ein Vogel. Hinter uns die Berge und unter uns der See, wir steigen auf, schweben wieder hinunter, nach links und nach rechts und ich muss schreien. Peter hat ein Messgeraet und wenn es piept, bekommen wir Aufwind, einen Bergruecken entlang, bis zum naechsten, hinauf und wieder hinunter. Irgendwann bringen uns die Schleifen, die wir fliegen, der Erde immer naeher und wir landen auf einer Weide in der Naehe des Sees. Ich lege mich auf den Ruecken und schaue zum Himmel hinauf und denke mir, gerade war ich noch da oben und ich bin gluecklich.

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