Sonntag, 5. Juli 2009

Die Mutter von der Marlies

Ich bin am Dach der Welt, in Leh in Ladakh. Hierher fuehrt die zweithoechste befahrbare Strasse der Welt, von Manali ueber fuenftausend Meter hohe Berge bis nach Leh auf 3500 Meter. Die Strasse ist jetzt Anfang Juni tageweise offen, aber man muesste bis Mitte Juli warten, bis die Fahrt halbwegs sicher ist. Jetzt schneit es immer noch zwischendurch und so nehmen Jennifer, Francoise und ich das Flugzeug von Jammu in Kaschmir nach Leh in Ladakh ins Himalayagebiet. Das hoechste Bergmassiv der Welt von der Luft aus, dunkelbraune Bergruecken mit und ohne Schnee, ein Faltengebirge, die Taeler sehen klein und schmal aus, manchmal dazwischen ein Rinnsal von einem Fluss. Beim Aussteigen aus dem Flugzeug bekomme ich weiche Knie und nach den paar Metern zum Flughafengebaeude muss ich rasten. Die Luft ist duenn und staubig-trocken. Jennifer geht es nicht besser und so verbringen wir den ersten Tag in unserem Guesthouse. Die Sonne scheint, im groessen Gaerten ums Haus herum ist alles gruen, da es ein Bewaesserungssystem gibt, die Hausfrau bringt Tee aus frischen Minzblaettern und neben dem Tisch bluehen zwei Fliederbuesche.

In Leh gibt es Heilerinnen, die sich Orakel nennen. Jenny, Francoise und Sonja, eine Australierin, sind auch neugierig und so fahren wir mit dem Jeep durch die Steinwueste ins naechste Dorf zum Haus des Orakels. Sie geht mit uns in den Zeremonienraum, setzt sich unter das einzige kleine Fenster auf den Boden, singt, scheppert mit einer Rassel in der Hand, verkleidet sich samt Kopfschmuck und bringt sich in TRance. Eine andere Frau sitzt neben ihr und bringt Wasser, Feuer, Schalen mit Reis oder was sie verlangt. Ein Bursche uebersetzt. Sonja sagt, sie hat Parasiten und das Orakel saugt mit einem Glasrohr an ihrem Unterleib und spuckt dann schwarzes Zeug in die Schale daneben. Sonja sackt zusammen, wird ohnmaechtig, wie mir scheint und das Orakel schreit nach Wasser. Die Assistentin floest es Sonja ein, sie richtet sich auf und wird entlassen.

Francoise wird auch so behandelt wegen unregelmaessiger Periode. Jennifer schickt sie zum Arzt, weil sie einen kranken Magen hat und bei mir sagt sie, da keine koerperlichen Beschwerden, ich muss meinen Exmann nochmals vor Gericht zerren, dann kommt das Geld innerhalb eines Monats. Unser Ausflug fuehrt uns nach einer kleinen Rast weiter in die Steinwueste, nur mehr wenige Haueser an den steilen Felshaengen und oben eine Burg, so schauen hier die Kloester aus. Hier ist es wie in Tibet, sagt man oder wie Tibet war, bevor es die Chinesen besetzt haben. Wir schauen uns das Kloster an, die Moenche ueben gerade einige Taenze, demnaechst gibts ein Tempelfest. Die Tanzbewegungen sind sehr langsam, sehen aus, als wuerden sie Tai Chi machen. Beim Tempelfest am Sonntag tanzen auch Frauen in bunten Trachten, es sind weite, dicke, lange Roecke, lange Hosen darunter und schweren Jacken darueber mit einer Tragtasche auf dem Ruecken, die schwarzen Zoepfe am Ende zusammengeflochten. Ihre Trachten und ihre GEsichter koennten auch aus Suedamerika sein.

Jennifer muss wieder nach Kanada zurueck und Francoise, Sonja und ich machen einen Ausflug ins Indutal, zum dem Fluss, der Indien den Namen gegeben hat. Die Fahrt mit dem Bus fuehrt an der hoechsten Tankstelle der Welt vorbei auf neuen schoenen Strassen immer weiter hinunter und weit und breit kein Mensch. Der Bus ist voll besetzt und die Insassen duerfte die gesamte Bevoelkerung der GEgend sein. Immer wieder kommen wir an Militaerbasen vorbei, indische Soldaten sind hier zu hauf, um die Grenze zu sichern. Die Ladakhis lachen ueber sie, denn sie finden sich in der Landschaft und bei den Temperaturen nicht zurecht, sagen sie. Wenn es wieder mal einen Grenzkonflikt mit Pakistan, China oder einfach nur GEfechte mit den Kashmiris gibt, die die Unabhaengigkeit wollen, schickt jede laddakhische Familie einen Mann zu den kaempfenden Truppen, um sie zu unterstuetzen, Sachen zu transportieren, ihnen Wege zu zeigen, was ordentliches zu kochen oder was auch immer. Der Indus ist ein breiter reissender GEbirgsfluss und daneben viertausend Jahre alte Hoehlen mt Wandmalereien. Am Abend kein Strom, weiter oben bauen sie ein Kraftwerk, und der schoenste Sternenhimmel der Welt.

Francoise und Sonja wollen laenger in der Steinwueste bleiben und ich fahre alleine zurueck. Wieder im Guesthouse in Leh hoere ich zwei Paerchen oesterreichisch quatschen, sie sind von einer Tour auf einen 5000er zurueck. Ich stelle mich als Oesterreicherin vor und wir gehen gemeinsam Abendessen. Nach kaum fuenf Minuten sagt Gerald: "Du bist aber nicht die Mutter von der Marlies?" "Doch, das bin ich." "Dann war ich ja schon bei dir in der Wohung in der Gumpendorferstrasse" und wir muessen beide sehr lachen.

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