Dienstag, 28. Juli 2009

no worries

"No worries"', sagen die Australier bei jeder Gelegenheit, mach dir keine Sorgen. Dabei gibt es Gruende genug: Krokodile, gefaehrliche Schlagen, giftige Spinnen, toedliche Quallen und Haie. Harmlose Kangurus liegen tot am Strassenrand, als Kris, Nadine und ich gemeinsam in den Kakadu-Nationalpark fahren. Wir kommen an einem Dorf vorbei, das Humpty Doo heisst und nach 200 km Nichts in eine Kleinstadt namens Bachelor. In der Mitte die Tankstelle, die Pickups wie aus einem alten amerikanischen Western, dreckig und verrostet. Die Typen, die aussteigen oder vor der Tankstelle/Supermarkt/Coffeeshop sitzen, wie die Cowboys mit Hueten und grossen Augen, als sie uns drei sehen. Leben hier nur Junggesellen - bachelors?

Wir fahren weiter zu den Plaetzen, wo Aboriginies gelebt haben. Ein kleines Kaenguru - Wallaby- mit einem Baby im Beutel wie zu unserer Begruessung am Eingang. An den Felsbloecken viele Zeichnungen, sie erzaehlen Fabeln und Maerchen, durchaus zu Erziehungszwecken oder welche Voegel oder Fische es hier zu jagen gibt. Eine Steinzeitkultur, die Menschen haben unter den Felsvorspruengen Unterschlupf gesucht vor dem Regen oder Schutz vor der Sonne, sind dort gesessen und haben sich Geschichten erzaehlt. Es wundert nicht, dass sie sich im 21. Jahrhundert nicht so zurecht finden, wie es die Weissen von ihnen erwarten. Sie kannten nichts anderes als das Land, das sie ernaehrt, das sie von ihren Eltern uebernommen und an ihre Kinder weitergegeben haben. Die australische Regierung koennte was lernen, die sind hier voll auf dem gruenen Tripp - reuse, reduce, recycle - wiederverwenden, reduzieren, wiederverwerten - heisst es ueberall. Australien will das erste Land der Welt werden, das keinen Raubbau an den Resourcen betreibt. Den urspruenglichen Landbesitzern, den Aborigines geben sie als Entschaedigung fuer das Land genug Geld zum Leben, das diese hauptsaechlich fuer Alkohol ausgeben. Doch was sagt Buddha braucht man fuer sein Glueck: jemanden zum Lieben, etwas zu tun und einen Wunsch an die Zukunft. Zu tun haben sie nichts, geht sich also nicht aus.

Von den Krokodilen werden sie jedenfalls nicht mehr gefressen. Immer wieder Schilder, die vor den REptilien warnen. Wir entdecken ein schlafendes Krokodil am Flussufer des Alligatorrivers - aus sicherer Entfernung. Weiter oben am Fluss bekommen wir Touristen sie besser zu sehen bei der taeglichen Krokofuetterung, wo ihnen Fleischbrocken vor die Nase gehalten werden, sie sich aus dem Wasser danach strecken, das Maul aufreissen und danach schnappen. Sie sind entwicklungsgeschichtlich aelter als die Dinosaurier und koennen bis zu 2 Jahre ohne Futter auskommen. Der Kroko hier im Revier ist ueber 70 Jahre alt und hat nur mehr ein Bein, aber ueber 50 Weibchen. Sie fressen ihre eigenen Jungen, aber nicht nur: "Salzwasserkroko friesst Frischwasserkroko" mit Foto auf der Titelseite der Zeitung.

Wir fahren weiter zum "Krokodile-Dundee-Land", einem Felsplateau, das im Film eben diese Rolle spielt und von wo man im 360-Grad RAdius sehen kann. Auf der einen Seite Wetlands, Wassertuempel, die von der Regenzeit ueberig geblieben sind, heissen hier billabongs. Auf der anderen Seite eine schroffe rote Gebirgsmauer, nicht sehr hoch, aber ewig lang. Und noch einmal ein Stueck weiter Felsberge mit einzelnen Baeumen drauf und Felsvorspruengen darunter. Weiter die Strasse entlang meterhohe Termitenhuegel, aufgereiht auf einem PLatz groesser als zwei Fussballfelder wie Grabsteine auf einem Friedhof. Wasserfaelle mit kleinen Becken in den Felsvorspruengen am Bergruecken und einem grossen Teich unten, wo sich das Wasser sammelt. Die Nacht verbringen wir im einem Campingplatz angeschlossenen Hostel mit (Wasch)kueche, Duschen und Klos, einem Restaurant und Swimmingpool mitten in der Wildnis.

Wieder zurueck in Darwin gibts an diesem Wochenende ein Pferderennen und alle Frauen sind angezogen, wie wenn sie zu einer Hochzeit gehen wuerden, mit Hut. Voriges Wochenende gabs einen Galaball, naechstes faengt das Darwin Festival an, am Sonntag abend gibts Kabarett auf der Freiluftbuehne und Ende des Monats einen Wiener Maskenball. Ich gehe in mein Lieblingslokal mit Besitzern und Kueche aus Osttimor, zu meinen chinesischen Masseuren, die an einer Strassenkreuzung am Gehsteig Schultern, Nacken und Beine massieren und ins irische Pub Shenannigans. Wir feiern die GEburt von Kris Nichte und am naechsten Abend den Abschied von Kris und Nadine bis halb fuenf Uhr frueh, sie fahren weiter nach Ayers Rock. Zum Abschluss findet Nadine ihren franzoesischen Verehrer in der Freiluftdisco mit einem blonden Maedchen. "Ich reise erst morgen ab", sagt sie und nicht "no worries", sondern klatscht ihm eine ins Gesicht.

Montag, 20. Juli 2009

Nette Famileinmitglieder

"We have been waiting for you a loooong time" - lange haben wir auf dich gewartet, sagt der Zollbeamte, der in Darwin, meinem Ankunftsort in Australien den Pass kontrolliert, als ich ihm sage, dass ich zum ersten Mal hier bin. Es war eine Anreise mit Hindernissen. Zuerst war ich zweimal am gleichen Flug gebucht. Nach dem Storno der einen Buchung werde ich nach meinem Visum gefragt. "Visum? Brauche ich ein Visum?" frage ich erstaunt und die Antwort ist ja. Ich hab keins, die Fluggesellschaft kann das fuer mich regeln, wenn ich 25 amerikanische Dollar zahle. Na klar doch. Eine australische Regierungsbeamtin kommt und kontrolliert meinen Pass mit der Lupe - wortwoertlich. Warum ich kein Visum habe, wo ich doch so viel gereist bin, fragt sie. "I am just stupid"- ich bin einfach deppert - sage ich und auch, dass ich nicht den Rest meines Lebens in Australien verbringen will, hoechstens ein paar Wochen, wenn ueberhaupt. Sie glaubt mir und gibt ihr ok.

Dann wird das Visum auf mein Ticket ausgestellt, das gerade storniert wurde. Ich bin mir nicht sicher, ob mich dieses Land haben will. Die freundlichen Balinesen schaffen auch diese Huerde, jetzt ist es schon etwas spaet und ich bekomme den Sitz Nummer 1D im Flugzeug, erste Reihe fussfrei. Die Stewardess unterrichtet mich, dass ich im Notfall bei der Evakuierung helfen muss und erklaert mir, wie die Tuer aufgeht. Ich bin froh, dass ich sitze und lasse sie reden. Dann der nette Empfang durch den Zollbeamten nach zweieinhalb Stunden Flug - sie wollen mich doch - und um vier Uhr frueh bin ich bei meinem Hostel. Der junge Mann an der Rezeption erklaert mir, dass meine Reservierung erst ab morgen gueltig ist und dass es sich wegen der paar Stunden nicht lohnt, fuer eine ganze Nacht zu bezahlen. Ich koenne mich ja einstweilen auf die Couch im Eingangsbereich legen.

Die Couch ist eine Holzbank, die Klimaanlage ist laut und alle fuenfzehn Minuten startet der grosse Getraenkeautomat seinen Kuehlmotor. Dazwischen geht immer wieder die Tuer auf, die Nachtschwaermer kommen nach Hause. Zuerst ein Maedchen, dann ein Bursch. Er laedt mich ein, ich koenne ja bei ihm schlafen, nein danke. Dann kommt ein Paerchen, inzwischen ist mir ziemlich kalt. Wieder ein Bursch. "Hey", sagt er, "bei mir im Zimmer ist noch ein Bett frei, willst du dich nicht dort hinlegen?" "Wieviele Betten hat das Zimmer?", frage ich. "Vier", sagt er, "aber nur drei sind belegt. In dem einen kannst du schlafen." Ich komme mit. Jemand schlaeft unten, er raeumt das Stockbett ab und ich lege mich hin und schlafe, bis der erste aufsteht.

Mein gebuchtes Bett ist in einem Vierbettzimmer mit drei deutschen Maedels. Im Hostel sind viele Franzosen und noch mehr Deutsche, viele davon mit einem Jahresvisum, wo man auch arbeiten kann. Verena arbeitet seit sieben Wochen bei McDonalds und will solange bleiben, bis sie genug Geld gespart hat, um weiterzureisen. Die zwei anderen, Kristin und Nadine sind zum Vergnuegen bzw zum Englischlernen in Australien und haben bis jetzt bei Gastfamilien gewohnt. Hostels finden sie gewoehnungsbeduerftig, gewoehnen sich aber schnell. Es gibt eine Gemeinschaftskueche, genuegend KLos und Duschen und jeden Tag kommt die Putzbrigarde, sogar ins Zimmer.

An der Waterfront ist ein kuenstlicher Strand angelegt, abgemauert, wie ich mich vergewissere, wegen Krokos, Haien und Quallen. Hier kann man tadellos sonnen und baden. Am Nachtmarkt gibt es Krokodil-, Kaenguruh- und Kamelfleisch zu essen. "You kill it, we grill it", steht am Stand angeschrieben. Ich koste von allen dreien, ist eh grauslich, Kris schmeckts. Der Didgeredoospieler am Markt ist blond und die Aboriginesmaedchen tanzen bzw wackeln mit dem Arsch, dass allen die Spuke wegbleibt. Fast jeden Abend gibt es Live-Musik in den Pubs. Die meisten Leute hier sind entweder junge TRaveller, die mit alten Campingbussen Australien bereist haben oder Seeleute, die ein paar Tage an Land verbringen, beide gierig nach Spass und Alkohol. Sie halten nichts von der Kunst der Verfuehrung oder haben keine Zeit dafuer. Hier geht die Post direkt ab: "You are so hot babe, wanna have sex?" - du bist so heiss, willst du sex? Nachdem man als Frau nicht sagen kann, ja, aber nicht mit dir, sage ich, nein, verpiss dich, bugger off. Zum Abgang sagt er noch, you have nice familymembers - nette Familienmitglieder - und starrt mir auf den Busen.

Mittwoch, 8. Juli 2009

Den Weltfrieden gefunden

Von Leh fliege ich ueber Neu Delhi mit zwei Tagen Aufenthalt bei ueber vierzig Grad nach Singapur. Der Flug von Singapur nach Bali in Indonesien dauert etwa zwei Stunden, ich komme um neun Uhr abends an. Die Dollar, die ich fuer mein Visum bei der Ankunft brauche, sind in meiner Reisetasche, deshalb muss ich auf mein Gepaeck warten, bevor ich das Visum beantrage. Bis alles erledigt ist, bin ich die letzte in der Ankunftshalle. Die Zollbeamten haben nichts zu tun und bitten mich, meine Reisetasche zu oeffnen. Was finden sie: drei Schachteln mit Schuesslersalzen, die aussehen wie Traubenzucker, aber genauso gut Speedtabletten oder sonst was sein koennten. Ich sage, es ist Medizin, sie sind in der Originalverpackung, aber sie sagen, das muessen wir testen. Sie nehmen aus jeder Packung ein paar Stueck und einer kommt mit einem Testkoffer. Er schmeisst eine Tablette in das Testroehrchen mit Fluessigkeit und ich denke, der koennte jetzt weiss Gott was hineinschmeissen und mir Drogenbesitz unterjubeln, bleibe aber ganz cool, denn ich weiss ja, dass es keine Drogen sind. Er testet eine Weile, es gibt keine Reaktion, er muss zugeben, dass ich recht habe und ich darf gehen.

Endlich im Hotel ist es fast Mitternacht, der Rezeptionist zeigt mir verschlafen mein Zimmer. Am naechsten Morgen gehe ich bei strahlendem Sonnenschein durch den bluehenden Garten zum Swimmingpool, das an gruene Reisfelder grenzt. Ich bin wieder angekommen im Sommer, den ich mir nach drei Monaten Himalaya und den letzten zwei Wochen Kaelte und einmal sogar leichten Schneefall gewuenscht habe. Und ich bin dort angekommen nach einem halben Jahr Reise, wo ich vor allem hin wollte: bei mir. Und was sehe ich, wenn ich mich so anschaue: zu alt, zu fett, zu viele Falten und zu viele Erinnerungen. Kaum denke ich mir das, habe ich ein richtiges Date. Er ist Australier, in meinem Alter, schlank, schaut gut aus, heisst Dean und fuert mich in das beste Restautrant der Gegend. Gott sei Dank war ich vorher mit den zwei Italienerinnen Francesca und Greta einkaufen, sonst haette ich gar nichts zum Anziehen. Er ist Vermoegensverwalter, verbringt seit Jahren seinen Urlaub hier und war heuer vorher in Wimbledon. An dem Abend, als wir uns kennenlernen, ist das Finale der Herren und er muss bald gehen, um es sich anzuschauen. Am naechsten Abend Aperitiv, bester Fisch und Wein, danach in die Bar und dann ist er locker genug, um zu tanzen. Er ist ein richtiger WASP, ein white anglo saxen protestant, aber in ihm steckt ein lustiger Bursche. Wenn jetzt schon August waere, wuerde ich denken, er ist der Mann, den mir die Wahrsagerin prophezeit hat. Es ist aber erst Juli.

Ich bin in Bali, auf der Insel der Goetter, die vor Schoenheit nur so strotzt. Jedes Gebaeude sieht aus wie ein Tempel und ist es doch nur ein Haus. Jede Tempeltaenzerin ist so schoen wie die nepalesische Goettin Kumari und zweimal am Tag stellen gut angezogene Frauen in einer kleinen Zeremonie Schaelchen aus geflochtenen Palmblaettern mit Blueten, Reis und Raucherstaebchen, Kekesen und Zigaretten am Gehsteig, im Garten und bei den Goetterstatuen auf. Leider gilt mein Visum nur fuer einen Monat und deshalb beschliesse ich, nach Australien weiterzureisen. "Zu dem Australier?', fragt meine Tochter gleich. "Ich habe nichts gegen Fernbeziehungen, aber ueber Kontinente?" "Nein, nicht zu ihm, er kommt aus Adelaide, das ist ganz unten im Sueden und dort ist jetzt Winter. Nach Darwin in Norden Australiens, dorthin sind es keine drei Stunden und dort ist auch warmes Wetter", antworte ich ihr bei unserem Chat. Um eine Idee zu bekommen, was mich in Autralien erwartet, schaue ich mir den Blog mixedsubstance - in 180 Tagen um die Welt - von Markus und Bernd an. Es sind Freunde von Flori, die seit fuenf Monaten reisen und in Mittel-und Suedamerika, Neuseeland und Australien waren.

Ich lese: "Wir sind gestern in Bali angekommen." In Bali? Ich bin auch in Bali, schreibe ich zurueck. Wollen wir uns treffen? Deans Urlaub ist nach einer Woche zu Ende und ich fahre auf die Gili-Inseln, wo die beiden sind. Ich habe Gili Trawangan gebucht und Markus will von Gili Air herueber kommen, die beiden brauchen eine Pause voneinander. Am Hafen die ueblichen Schlepper, ich lasse mir ein Zimmer zeigen und borge mir ein Rad aus, um mir weitere anzuschauen. Ich komme an einer kleineren Anlegestelle vorbei und da steht Markus mit seinem Rucksack, gerade angekommen. Wir schauen uns gemeinsam ein anderes Zimmer an, nehmen es, er borgt sich auch ein Rad aus und wir fahren los, am Strand entlang, oberhalb auf dem kleinen Weg und manchmal muessen wir Pferdefuhrwerken ausweichen, Autos und Mopeds gibts hier nicht. Nach einer halben Stunde kommen wir zu einer Plattform am Strand, wo schon einige Leute sitzen, der Sonnenuntergangsspot der Insel, wir sind genau zur richtigen Zeit da. Einer verkauft kuehles Bier, wir nehmen jeder eins und schauen der Sonne entgegen. Als es finster ist, fahren wir den kleinen Weg weiter und keine 15 Minuten spaeter sind wir wieder im Ort und haben die Insel umrundet. Nach dem Abendessen noch eine kleine Wasserpfeife in der Shishabar direkt am Strand, ueber uns der Himmel voller Sterne.

Wir schlafen bis mittag, dann gehen wir tauchen(Markus) und schnorcheln(ich). Das Wasser und die Luft haben die richtige Temperatur, die Wellen sind angenehm, das Korallenriff ist nur ein paar Meter vom Strand entfernt und die Fische sind blau, gruen, gelb, orange, gelb-schwarz-weiss gestreift, gross mit dickem Bauch, klein und in Schwaermen, duenn, lang und durchsichtig fast an der Wasseroberflaeche oder grosse Schalentiere, die am Meeresboden liegen und violette Fuesse herausstrecken. Mit ihnen zu schwimmen ist wunderbar. Am Ende der Tour kommen wir zu einem Schiffswrack, das angeblich seit sechs Jahren da unten liegt. Es ist voll zugewachsen mit allem, was das Meer so hergibt.

Zum Sonnenuntergang schaukeln wir eine Runde in der Haengematte, danach abendessen in einem Lokal mit einer Band, die Happy Birthday spielt und dann abtanzen bis vier Uhr frueh. Heute ist mein Geburtstag! Und weils so schoen war, wiederholen wir das ganze am uebernaechsten Tag nochmal, diesmal ist Bernd auch dabei. In Rudys Bar sind wir schon Stammgaeste, der Barkeeper begruesst uns mit: alles klar, wie gehts, und kann recht gut deutsch. Am naechsten Tag sagt Markus: "In dieser Nacht habe ich am Strand bei Sonnenaufgang den Weltfrieden gefunden."

Sonntag, 5. Juli 2009

Die Mutter von der Marlies

Ich bin am Dach der Welt, in Leh in Ladakh. Hierher fuehrt die zweithoechste befahrbare Strasse der Welt, von Manali ueber fuenftausend Meter hohe Berge bis nach Leh auf 3500 Meter. Die Strasse ist jetzt Anfang Juni tageweise offen, aber man muesste bis Mitte Juli warten, bis die Fahrt halbwegs sicher ist. Jetzt schneit es immer noch zwischendurch und so nehmen Jennifer, Francoise und ich das Flugzeug von Jammu in Kaschmir nach Leh in Ladakh ins Himalayagebiet. Das hoechste Bergmassiv der Welt von der Luft aus, dunkelbraune Bergruecken mit und ohne Schnee, ein Faltengebirge, die Taeler sehen klein und schmal aus, manchmal dazwischen ein Rinnsal von einem Fluss. Beim Aussteigen aus dem Flugzeug bekomme ich weiche Knie und nach den paar Metern zum Flughafengebaeude muss ich rasten. Die Luft ist duenn und staubig-trocken. Jennifer geht es nicht besser und so verbringen wir den ersten Tag in unserem Guesthouse. Die Sonne scheint, im groessen Gaerten ums Haus herum ist alles gruen, da es ein Bewaesserungssystem gibt, die Hausfrau bringt Tee aus frischen Minzblaettern und neben dem Tisch bluehen zwei Fliederbuesche.

In Leh gibt es Heilerinnen, die sich Orakel nennen. Jenny, Francoise und Sonja, eine Australierin, sind auch neugierig und so fahren wir mit dem Jeep durch die Steinwueste ins naechste Dorf zum Haus des Orakels. Sie geht mit uns in den Zeremonienraum, setzt sich unter das einzige kleine Fenster auf den Boden, singt, scheppert mit einer Rassel in der Hand, verkleidet sich samt Kopfschmuck und bringt sich in TRance. Eine andere Frau sitzt neben ihr und bringt Wasser, Feuer, Schalen mit Reis oder was sie verlangt. Ein Bursche uebersetzt. Sonja sagt, sie hat Parasiten und das Orakel saugt mit einem Glasrohr an ihrem Unterleib und spuckt dann schwarzes Zeug in die Schale daneben. Sonja sackt zusammen, wird ohnmaechtig, wie mir scheint und das Orakel schreit nach Wasser. Die Assistentin floest es Sonja ein, sie richtet sich auf und wird entlassen.

Francoise wird auch so behandelt wegen unregelmaessiger Periode. Jennifer schickt sie zum Arzt, weil sie einen kranken Magen hat und bei mir sagt sie, da keine koerperlichen Beschwerden, ich muss meinen Exmann nochmals vor Gericht zerren, dann kommt das Geld innerhalb eines Monats. Unser Ausflug fuehrt uns nach einer kleinen Rast weiter in die Steinwueste, nur mehr wenige Haueser an den steilen Felshaengen und oben eine Burg, so schauen hier die Kloester aus. Hier ist es wie in Tibet, sagt man oder wie Tibet war, bevor es die Chinesen besetzt haben. Wir schauen uns das Kloster an, die Moenche ueben gerade einige Taenze, demnaechst gibts ein Tempelfest. Die Tanzbewegungen sind sehr langsam, sehen aus, als wuerden sie Tai Chi machen. Beim Tempelfest am Sonntag tanzen auch Frauen in bunten Trachten, es sind weite, dicke, lange Roecke, lange Hosen darunter und schweren Jacken darueber mit einer Tragtasche auf dem Ruecken, die schwarzen Zoepfe am Ende zusammengeflochten. Ihre Trachten und ihre GEsichter koennten auch aus Suedamerika sein.

Jennifer muss wieder nach Kanada zurueck und Francoise, Sonja und ich machen einen Ausflug ins Indutal, zum dem Fluss, der Indien den Namen gegeben hat. Die Fahrt mit dem Bus fuehrt an der hoechsten Tankstelle der Welt vorbei auf neuen schoenen Strassen immer weiter hinunter und weit und breit kein Mensch. Der Bus ist voll besetzt und die Insassen duerfte die gesamte Bevoelkerung der GEgend sein. Immer wieder kommen wir an Militaerbasen vorbei, indische Soldaten sind hier zu hauf, um die Grenze zu sichern. Die Ladakhis lachen ueber sie, denn sie finden sich in der Landschaft und bei den Temperaturen nicht zurecht, sagen sie. Wenn es wieder mal einen Grenzkonflikt mit Pakistan, China oder einfach nur GEfechte mit den Kashmiris gibt, die die Unabhaengigkeit wollen, schickt jede laddakhische Familie einen Mann zu den kaempfenden Truppen, um sie zu unterstuetzen, Sachen zu transportieren, ihnen Wege zu zeigen, was ordentliches zu kochen oder was auch immer. Der Indus ist ein breiter reissender GEbirgsfluss und daneben viertausend Jahre alte Hoehlen mt Wandmalereien. Am Abend kein Strom, weiter oben bauen sie ein Kraftwerk, und der schoenste Sternenhimmel der Welt.

Francoise und Sonja wollen laenger in der Steinwueste bleiben und ich fahre alleine zurueck. Wieder im Guesthouse in Leh hoere ich zwei Paerchen oesterreichisch quatschen, sie sind von einer Tour auf einen 5000er zurueck. Ich stelle mich als Oesterreicherin vor und wir gehen gemeinsam Abendessen. Nach kaum fuenf Minuten sagt Gerald: "Du bist aber nicht die Mutter von der Marlies?" "Doch, das bin ich." "Dann war ich ja schon bei dir in der Wohung in der Gumpendorferstrasse" und wir muessen beide sehr lachen.