Freitag, 3. April 2009

Die Strasse nach Mandalei

Myanmar oder Birma oder Burma, wie immer man dieses Land nennt - es ist viel zu heiss hier. Um acht Uhr frueh komme ich am Flughafen in Rangon an und es hat 40 Grad, nach einer Nacht am Flughafen in Bangkok, der auf etwa 10 Grad gekuehlt ist. Ein netter TAxifahrer und Sohn bringt mich ins Hotel Beautiland 2, die Frauen gehen mit Schirmen auf der Strasse. Ich packe meinen Regenschirm aus und tue das gleiche. Ein alter Mann kommt mir entgegen, Geld wechseln?, fragt er - hier gibts keine Bankomaten. Nein, will ich sagen, ich habe schon, da zischt ein Fussball an unseren Koepfen vorbei. Ein Bub laeuft ihm nach. "Als ich jung war, habe ich das gleiche gemacht", sagt er und ich denke, in Europa kann das kein Opa mehr zu seinem Enkel sagen, Fussballspielen auf der Strasse ist vorbei.



Am Abend gehe ich in die Swedagonpagode, ein riesiges glockenfoermiges Gebilde in Gold. Ich setze mich in eine offene Saeulenhalle, vor mir treffen die letzten Sonnenstrahlen den Goldmantel und ein junger Mann stellt mir die ueblichen Fragen. Die erste ist wie immer "Woher kommst du?" und ich sage aus Oesterreich und er kennt Mozart und die Habsburger, Beethoven und Goethe. Da will ich wissen, was er macht. "Ich studiere Literaturwissenschaften", sagt er "und hab meine Diplomarbeit eingereicht, die Sommerferien haben heute begonnen". Ich will wissen, zu welchen Thema und er sagt "Neue burmesische Literatur im Vergleich" und ich denke, nichts koennte die Welt weniger interessieren.



Die zweite Frage ist immer, wie ich heisse. Ich sage Edith und er fragt, ob ich an einem Sonntag geboren bin und ich sage fast, 30 Minuten nach Mitternacht. Und er sagt, hier in Myanmar werden Kinder, die an einem Sonntag geboren sind, auf einen Namen getauft, der mit a,e,i,o,u anfaengt und wenn man an einem Montag geboren ist, bekommt man einen Namen, der mit k, ke, g, ga, nye anfaengt und er weiss auch, dass diese Buchstaben fuer einen Europaeer keinen grossen Unterschied machen. Ich frage nach seinem Namen und er sagt Nyein Moe, das heisst friedlicher Himmel oder Regen. Ich sage: "Also bist du auch an einem Montag geboren?" "Nein", sagt er, "mein Vater war Kommunist und hat nicht an diese Sachen geglaubt. Ihm hat der Name gefallen."


Eine Kehrbrigarde rueckt immer naeher und kehrt den Platz, jede Person hat in jeder Hand einen Besen. Zuerst eine Reihe Frauen, dann eine Reihe Maenner, dann eine Reihe mit Mistaufkehrern. "Heute ist Freitag, heute kehren die, die an einem Freitag geboren sind. Der Putzdienst ist Ehrensache, so kommen Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten zusammen, Arbeiter, Aerzte, Lehrer, Beamte und Bauern", erklaert mir mein Student. Obwohl hier niemand Schuhe tragen darf, ist es doch ganz schoen staubig. "Und die dort drueben mit dem Wasser, putzen die auch?", frage ich. "Nein, jeder betet bei seinem Geburtstagsbuddha und da gehoert dazu, dass man ihn mit Wasser uebergiesst. Wir koennen zu deinem Montagsbuddha gehen, er steht im Osten, ist dem Mond zugeordnet und wird von einem Tiger bewacht." Wir gehen hin. "Du musst so viele Schalen Wasser ueber ihn giessen, wie alt du bist." Das mach ich.


Wo ich in Myanmar noch hin will, will er wissen. Mandalei, Bagan und Inlesee, sage ich. Da ist es noch heisser als hier, sagt er, nur am Inlesee ist es kuehler, weil der etwas hoeher liegt. In der Nacht tropft mir der Schweiss beim Liegen in den Nacken und erst gegen morgen wirds etwas kuehler, da schreit auch schon der Muezzin von der nahen Moschee "Allah akba" - Gott ist gross. Ich buche einen Flug an den Inlesee. Am Abend gehe ich wieder in die Pagode und setze mich an die gleiche Stelle. Neben mir sitzt eine Familie: Grosseltern, Eltern, Kleinkind. Als das Kind in die Hose macht( die Kinder tragen keine Windeln), gehen sie . Dann kommt eine etwa 40-jaehrige Frau mit Halskette und Ohrringen, nimmt eine Art Rosenkranz aus der Tasche und beginnt mit lautem Gemurmel zu beten. Etwas spaeter eine aeltere, breitet eine Decke aus, setzt sich drauf und macht das gleiche, ist bestimmt die Mutter. Dazwischen laeutet immer wieder das Handy und das ist hier noch eine Seltenheit. Die Aeltere schaut ganz streng, wenn die Juengere nicht sofort abhebt.


Als es dunkel wird, gehe ich auf den hinteren PLatz, von dort kann man die Edelstein besetzte Spitze der Pagode funkeln sehen. Mein Student kommt mir entgegen, mit ihm ein buddhistischer Moench. Wir gehen hinunter in eine Teestube zum Reden und dann moechte der Moench mein Geburtsdatum wissen. Er kalkuliert mit den Zahlen und und dann sagt er: Ich bin eine geborene Chefin, meine Geschwister, Freunde und Kollegen hoeren auf mich, ich bin ruhig, denke logisch, ueberlege sehr sorgfaeltig und brauche deshalb laenger als andere, um eine Entscheidung zu treffen. In der Ehe habe ich kein Glueck, aber ab 52 wirds besser. Am besten passt ein Mann zu mir, der an einem Donnerstag geboren ist, am zweitbesten Dienstag, am schlechtesten Freitag. Mit meinen Eltern habe ich mich nicht gut verstanden bis ich 19 war. Verkauf oder Handel ist der beste Job fuer mich, besonders mit Gold, heller KLeidung und Elektrik. Ich wiederhole: Gold, Kleidung oder Elektrik. Nein, sagt er, Gold, heller Kleidung und Elektrik. Es ist besser, wenn ich an einem Ort lebe, der weit weg ist von meinem Geburtsort oder Land und einen Mann heirate, der von weit weg ist. Die letzten vier Monate des Jahre muss ich auf meine Gesundheit aufpassen, besonders auf den Kopf und das Hirn, es gibt Blut im Kopf, ein Unfall. "Was kann ich tun?", frage ich. "Ganz einfach", sagt er. Bestimmte Blueten und Blaetter unter den Kopfpolster legen und wir gehen nochmals in die Pagode, wo ich die Blumen kaufe und der Moench die Blaetter von einem Baum im Garten holt.


Vom Inlesee fuehrt ein Seitenarm durch den Ort Ngwe Shwang, die Boote tuckern wie frueher die TRaktoren. In dem Kanal haben bis zu 5 Boote nebeneinander PLatz, links und rechts wird ein- und ausgeladen, gehandelt, getratscht und dazwischen fuer ankommende oder durchfahrende Boote PLatz gemacht. An der Strasse daneben wird gerade ein Haus gebaut. Die Grundpfeiler aus Holz, der Fussboden etwa einen halben Meter ueber dem Boden, die Waende aus einem Bambusgeflecht und das Dach aus Stroh. Zehn Handwerker mit ihren Helfern haemmern und saegen, zwischen zwoelf und ein Uhr ist Mittagspause. Die Frauen tragen weisse Paste im Gesicht. Es ist das zu Pulver vermahlene Holz des Thanakhabaumes, schuetzt gegen Sonne und kuehlt die Haut. Nachmittags gehen junge Nonnen von einem Haus zum anderen und bekommen jedes Mal einen Loeffel REis in ihre Schuessel. Wenn es Strom gibt, plaerrt irgendwo ein RAdio oder alle sitzen vor einem Fernseher. Am See stehen die Maenner auf den schmalen langen Booten, rudern mit einem Bein und werfen ihre Netze aus. Zwischen See und Land schwimmen Gaerten, wo Paradeiser, Kraut und Erdaepfel wachsen. Die Haeuser stehen auf Stelzen, Wasserbueffel grasen zum Festland hin und am Abend werden sie gebadet. Wenn es finster ist, zuenden die Leute Kerzen an und alle paar Ecken sitzen Burschen zusammen, einer spielt Gitarre und sie singen die heimische Hitparade rauf und runter.




Ich gehe in den Ort und bestelle in einem Kaffeehaus schwarzen Kaffee, er kommt mit Zitrone. Schmeckt erfrischend. Am Abend treffe ich die Leute wieder, die ich bei der Bootsfahrt kennengelernt habe. Rachel und Enzo aus Italien, die in Caterbury eine Baeckerei haben, sind schon fertig. "Belgien duscht nocht", sagen sie. Mit Jurie und Gret aus Belgien gehen wir dann essen und am naechsten Tag gehts weiter nach Mandalei. Warum der Name dieses Ortes so einen magischen KLang hat, kann ich nicht feststellen. Etwas ausserhalb auf dem Huegel Sagain wieder viele Pagoden voller Gold und am Ufer des Irrawadyflusses eine Huette neben der anderen. "Wenn Regenzeit ist und der Wasserpegel ansteigt, werden die Huetten weggeschwemmt und die Menschen uebersiedeln auf die hoeher gelegene Strasse", sagt mein Fahrer. "Die Pagoden auf den Huegeln sind fuer die Moenche und Nonnen da."








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