"Ich hab dich gestern abend in der Jazzbar gesehen", sagt eine Frau im Guesthouse in Pokara zu mir. "Ich bin Helen". Ja, ich erinnere mich. Sie hat mit der Band gesungen. Normalerweise kennen die Gaeste die Kuenstler und nicht umgekehrt. Helen hustet. "Ich habe mich vor ein paar Tagen verkuehlt", sagt sie. "In den Bergen hat es geschneit. Ich habe gemeinsam mit Holly und ihren drei Kindern den Berg Pune bestiegen. Das ist Holly und ihre kleine dreijaehrige Tochter Luana. Fuer Luana hat sie einen TRaeger gemietet so wie andere Leute fuers Gepaeck. Und obwohl diese Traeger bis zu 30 Kilo auf ihrem Ruecken schleppen, konnte der das kleine Maedchen nicht tragen. Maenner haben keine Hueften, wo die Kinder aufsitzen koennen.
Also hat Holly sie getragen, zwei Tage hinauf und der TRaeger das GEpaeck. Die zwei grossen Buben, 12 und 8 sind vorausgelaufen und der TRaeger, Shiva ist mit mir gegangen und Holly mit der KLeinen am Ruecken im Tragetuch hinten nach. Shiva hat mit mir geflirtet. Mein Freund hat mich vor ein paar Monaten verlassen. Das war zu Weihnachten und wir waren 6 Jahre zusammen und wollten heiraten. UNd ploetzlich wollte er seine Freiheit. Es war die Freiheit, mit einer 22-jaehrigen Deutschen zu voegeln. Und ich bin 42, wir haben uns in Goa kennen gelernt, ich lebe da seit 6 Jahren und bin Saengerin in einer Jazzband und er war der Gitarrist. Er ist Inder, aber in Dubai sehr westlich aufgewachsen und wollte ein Rockstar sein.
Holly lebt mit ihren Kindern schon seit 10 Jahren in Goa. In London hat sie ein Haus, das sie vermietet und mit dem Geld kann sie sich in Goa mit ein bisschen Verkaufen am Markt ein richtig gutes Leben leisten. Sie wohnt in einer alten portugisieschen Villa mit Hausmaedchen und Gaertner und die Kinder gehen in eine Privatschule. Der einzige Nachteil ist die Regenzeit, die demnaechst anfaengt. Die einzigen, die bleiben, sind die Muetter mit den Kindern, weil sie muessen. Die Maenner verfallen entweder komplett den Drogen oder sie gehen und bleiben weg. Von ihrem Mann hat sie sich vor eineinhalb Jahren getrennt. Sie moechte in Goa bleiben. Jetzt ist sie in Nepal, damit sie ein 5-Jahresvisum fuer sich und ihre Kinder bekommt. Mit etwas Geld unter der Hand geht das hier.
Fuer unsere Bergbesteigung musste ich mir ein paar Sachen kaufen, immerhin waren wir auf fast 3000 Meter. Wir sind mit unseren Turnschuhen gegangen und unseren 3/4 Hosen, aber Haarshampoo und TRockenfruechte hab ich eingepackt. Ich haette viel mehr TRockenfruechte kaufen sollen, denn alles, was man am Weg zu essen bekommt, ist Dal Bat, Reis und Linsencurry. Und das macht ziemlich viel Wind. Beim Gehen hat immer jemand gepfurzt und es hat dauernd gestunken. Waschen kann man sich auch nicht ordentlich, es gibt zwar Duschen, aber meist kein heisses Wasser und wenn, dann im Kuebel und wenn die Sonne weg ist, ist es eiskalt in den Huetten. Und in der Frueh mussten wir immer sehr schnell die Huetten verlassen, weil Luana in der Nacht immer ins Bett gemacht hat, was sie sonst nicht tut. Und Holly wollte weg sein, bevor es jemand bemerkt. Also hat sie Shiva und mich jedesmal aus dem Bett gescheucht, damit wir weiterkommen.
Einmal sind wir sieben Stunden gegangen, bergauf, bergab, bergauf, bergab, ueber Haengebruecken, Stufen hinauf und wieder hinunter. Die Buben sind immer vorausgelaufen, auch wenns geregnet hat. Am Schlimmsten war es, ueber die Haengebruecken zu gehen, wenn einem darauf eine Ziegenherde entgegen gekommen ist. Es hat auch geschneit und Holly hat ein Tuch ueber ihren Kopf und den Kopf von Luana gelegt und sie haben ausgeschaut wie Fluechtlinge. Eine nepalesische Frau hat sie zu sich in die Huette bzw unters Dach gewunken, damit sie sich waermen koennen und ihnen nepalesischen suessen Milchtee zu trinken gegeben. Mich hat ja Shiva gewaermt. Holly wollte, dass er zumindest die Buben beaufsichtigt, wenn sie ihn schon bezahlt. Aber er hatte nur Augen fuer mich und hat mich gefragt, willst du mich heiraten?. Am Abend in der Huette sind dann alle TRaeger zusammen gesessen und haben sich gegenseitig erzaehlt, was sie so gemacht haben. Ich glaube, Shiva hat auch erzaehlt, was wir so gemacht haben. Aber das haben sowieso alle gehoert, denn die Waende in den Huetten sind wiePapier. Ich habe das so genossen, nachdem mich mein Freund fuer eine 22-jahrige verlassen hat. Er ist ja immerhin erst 21, aber sehr gut gebaut, wenn du weisst, was ich meine.
Shiva ist ja der Gott der Zerstoerung und er hat meine Depression zerstoert. Das war das Beste an der Himalayabesteigung. Das Zweitbeste war der 360 Grad Rundumblick auf die achttausender Gipfel, als wir am Karfreitag oben angekommen sind. Das ist die Kaelte, den Schnee, das schlechte Essen, den Gestank und die Pfurzerei wert. Es stinken ja alle, wenn sie herunterkommen. Zuerst glaubt man, alle anderen, aber meist riecht man sich selber. Als wir wieder herunten waren, wollte mich Shiva seinen Eltern vorstellen, bevor wir heiraten oder dass ich ihn zumindest unterstuetze. Er moechte naemlich Taxifahrer werden.
Ich bin am Abend in die Jazzbar gegangen, ich will mir ja eine neue Band suchen, mit der ich singen kann. UNd tasaechlich waren da diese zwei Burschen aus Amerika, der am Bass war sogar aus New Orleans, und wir haben eine Jamsession angefangen. Und da hab ich dich reinkommen gesehen." Helen muss wieder husten und ich auch. Ich war nicht am Berg, aber am vormittag bei einem chinesischen Arzt, weil mein Husten immer wieder kommt. Er hat meinen Puls gefuehlt, meine Zunge angesehen und gesagt: zu viel Hitze. Dann hat er mir eine Infusion gegeben, ein paar Tabletten und einen Hustensaft und gesagt: eine Woche lang nichts kaltes trinken, keinen Alkohol und kein Chilli. Heute ist mein Husten schon viel besser.
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