Donnerstag, 26. Februar 2009

Shanti, Shanti

Die Tsunamibar liegt gleich neben dem Guesthouse im Dschungel, wo die Bungalows keine Waende haben - es sind Baumhaeuser. Auf den Inseln gibt es noch Eingeborenenvoelker, die beim Tsunami nicht zu Schaden kamen, weil sie rechtzeitig ins Landesinnere geflohen sind. Die bekommen wir natuerlich nicht zu Gesicht. Jerome und ich fahren mit dem Glasbodenboot hinaus zu dem Korallenriff. Besser als das Riff finde ich ein Ehepaar mit Baby, das den Ausflug auch macht. Der Bootsjunge haelt das Baby, vier Monate alt, wie ich spaeter erfahre, waehrend die beiden schnorcheln. Sie gehoeren zu den Shiks, denn er hat die Haare mit einem Tuch hinaufgebunden und als sie wieder aus dem Wasser wollen, muessen sie die Frau zu dritt herausziehen.



Am naechsten TAg fahren wir gemeinsam mit der Faehre auf die Insel Havelock. Auf der Ueberfahrt sehen wir jede Menge fliegende Fische, das heisst, sie springen nicht nur aus dem Wasser, sie fliegen tatsaechlich ein paar Meter und bewegen die Flossen dabei wie Fluegel. Jerome will weiter auf Neil-Island, ich will auf Strand NUmmer 7. Der soll laut Time Magazine der schoenste Strand Asien sein. Diana, eine verrueckt laute Englaenderin organisiert bereits, wer mit wem wohin faehrt. Mit einem Jeep fahre ich gemeinsam mit fuenf anderen noch zehn Kilometer und dann sind wir da: smaragdgruenes Wasser, weisser Sand, Mangrovenbaeume und SONST NICHTS ausser Sandfloehe, die mich sofort beissen. Also nichts ist perfekt, aber fuer mich ist es der schoenste Strand der Welt, soweit ich sie bis jetzt kenne. Zurueck im Guesthouse haengt Fabio, ein Italiener gerade die Haengematte auf und bringt ein Bier. Ich lege mich hinein, daneben klimpert jemand auf der Gitarre und ich schaue durch die Palmwipfel hindurch zu den Sternen hinauf.



Am nachsten Tag auf dem Weg zum Strand ueberholt mich Jerome mit dem Fahhrad. "Ich denke, du bist auf Neilisland", sage ich. "Da ging dann keine Faehre mehr und Strand Nummer 5 ist auch sehr schoen, aber Nummer 7 musste ich mir doch anschauen", sagt Jerome. Wir gehen gemeinsam an den Strand und erzaehlt mir, dass er die Familie seines Vaters in Benin besucht hat und auch schon in Madagaskar war. Und nach Indien ist er gekommen, um eventuell in Bangalore zu arbeiten. Er ist vielleicht dreissig und Motorenkonstrukteur, zur Zeit fuer Hubschrauber. "Aber in Bangalore ist nichts, wenn die Arbeit aus ist, kannst du nirgends hingehen." "Das ist so wie hier, wenn es finster ist, gibts Abendessen und dann ins Bett." "Bei mir am Strand gibt ein nettes Lokal"' sagt Jerome. Am naechsten Tag ziehe ich um.



Im Dorf wird gerade ein Fest fuer Lord Krishna vorbereitet. Ist es Zufall, ist es die Jahreszeit oder ist es Indien? Zuerst


christlich Weihnachten in Goa


moslemische Moharrum in Hampi


hinduistisches Mahar Sankranti in Gokarna


hinduistisches Rawi Dass Jayanti in Havelock


Dazwischen die Sadhus, die Wandermoenche und Leute, die erzaehlen, dass sie in einem Ashram, einer Art Kloster gelebt haben und Buddhisten und Juden. "Ist Indien ein heiliges Land?", frage ich einen Inder. Er bewegt seinen Kopf, so wie alle hier den Kopf bewegen und das kann heissen ja, nein oder vielleicht. Denn es ist eine liegenden Acht, die sie beschreiben.



Bei Einbruch der Dunkelheit lockt mich lautes TRommeln auf die Strasse. Eine Gruppe von Leuten geht von einem Andachtsort zum naechsten. Eine Frau ist weiss geschminkt im GEsicht, ein Mann traegt ein blumengeschmuecktes Boot auf dem Kopf und eine andere Frau einen Korb mit Fruechten. Sie tanzen sich in Trance, zwei Maenner blasen ihnen mit Pfeifen ins Ohr, wenn es am wildesten ist, schuettet jemand der weisgeschminkten Frau einen Kuebel voll Wasser ueber den Kopf und jemand anderer schlaegt zwei rohe Eier in die Wasserlacke. Dann ziehen sie weiter.



Am Abend gibts ein FEstessen in der Markthalle. Etwa 400 Leute sitzen in acht Reihen am Boden, vor ihnen liegen Bananenblaetter und Maenner und Frauen gehen mit Kuebel voller Reis oder GEmuese herum. Jeder bekommt zuerst einen Schoepfer REis und darauf einen Schoepfer Gemuese in Sosse. Den ganze Tag schon wurde in riesigen Toepfen auf offenem Feuer gekocht, junge Maenner wurden mit Saecken voll Reis aufgewogen, die dann unter lautem Geschrei gespendet wurden, dazwischen haben Musikanten gepielt und rundherum sind Schaubuden mit allerlei Krimskrams aufgebaut. Ein richtiger Kirtag eben.



Ich habe mich mit zwei britischen Paaren angefreundet, Nick und Harry waren heute erfolgreich zum Fischen und die Fische gibts zum Abendessen. Hoffentlich. Es ist schon zehn Uhr vorbei und wir fragen den Manager, wann es denn soweit sein wird. "Shanti, Shanti", sagt er, das heisst eigentlich Frieden, aber hier wohl eher: nur mit der Ruhe. "Die Fische sind sehr gross und wir muessen sie langsam garen." Nick versteht das, er ist selber Koch, hat gemeinsam mit seiner Freundin Dawn ein Pub betrieben und es jetzt gerade verkauft, rechtzeitig, wie beide meinen. "Ich bin 30, er ist 40, ohne Job und ohne Haus", meint sie halb im Scherz. Charlotte und Harry auch, aber die sind beide erst 25. Eine Frau in meinem Alter kommt auf mich zu. "Ich kenne dich", sagt sie und ich schaue sie fragend an. Sie ueberlegt: Faehre, Chennai, nein, jetzt weiss ichs, es war voriges jahr in Laos. Da hat sie recht, Luang Prabang, schon wieder ein heiliger Ort, wir haben uns beim Kajakfahren kennen gelernt. Cindy und ihr Mann Tom haben eine Galerie in Nova Scotia in Kanada und reisen das halbe Jahr in Asien herum, um dafuer einzukaufen. Ich glaube, die Geschichte hat umgekehrt angefangen, zuerst sind sie gereist und haben eingekauft und dann wollten sie das Zeug verkaufen und haben eine Gallerie eroeffnet. Jedenfalls hat sie mir die Adresse eines Hotels in Hanoi gegeben, das genau gepasst hat. Wir haben uns nur zwei Mal gesehen und jetzt muessen wir sehr lachen und haben uns viel zu erzaehlen. Dass die Fische erst um Mitternacht auf den Tisch kommen, stoert niemanden mehr.

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