Freitag, 16. Januar 2009

Einatmen - ausatmen

Vom Tempelgelaende in Hampi fuehrt eine Gasse hinunter zu einem breiten Flussbett mit schmalem Flusslauf, abgerundete Steinbloecke liegen wie hingewuerfelt. Ein Stein steht ploetzlich auf, es ist der Tempelelefant. Maenner waschen sich und Frauen klopfen Waesche auf die Steine. Grosse Flaechen sind bunt gefleckt von den gewaschenen Tuechern, ihren Saris, die sich die Frauen ab dem Bauch um den Leib wickeln und dann das eine Ende ueber die Schulter nach hinten tragen. Ich fahre mit dem Faehrboot, in dem etwa 20 Leute sitzen, auf die andere Seite. Vier Frauen mit ihren Gemuesekoerben, die von zwei Personen vom Kopf heruntergehoben werden muessen und ein Moped mit Fahrer haben noch Platz.











Auf der anderen Seite gruene Reisfelder, dazwischen Palmen und Steinkegelberge. Auf einem steht der Monkeytempel, dort will ich mir den Sonnenuntergang anschauen. 500 Stufen hinauf und 500 Affen als Begleiter, das ist mir einmal 500 zu viel. Ich kehre um, setze mich auf die Terasse des naechsten Guesthauses und schaue dort dem Sonnenuntergang zu. Ein junger Mann sucht die beste Position fuer ein Sonnenuntergangsfoto und setzt sich zu mir. Ob ich wegen des Festes heute hier bin, will er wissen. Welches Fest, frage ich. Heute Nacht, ein Hindufest, manche sagen auch ein Moslemfest im naechsten Dorf. "Wenn das ein Moslemfest ist, bin ich da als Frau ueberhaupt zu gelassen?" "Ja, ja", sagt Ilja, so heisst er, "es gehen viele hin". " Ich wohne auf der anderen Seite des Flusses, das letzte Faehrboot geht um 7", sage ich. "Oben im Wigwam, wo ich schlafe, sind bestimmt noch Betten frei", sagt er. Inder bauen ein Indianerzelt, das so heisst, weil die Indianer fuer Inder gehalten wurden. Ein Maedchen erzaehlt, dass es auf meiner Seite des Flusses auch so ein Fest gibt. Da beschliesse ich so gegen 8, doch lieber nach Hause zu fahren.









Am Flussufer ist es finster, eine Gruppe junger Maenner sitzt neben dem Boot und ich bleibe dort stehen. Eine Ueberfahrt kostet jetzt 100 statt 10 Rupies und als ich bezahlt habe, kommen noch zwei Inder, die auch hinueber wollen. Wir fahren aber nicht mit dem Boot, sondern mit einem geflochtenen Korb, wie ihn die Fischer verwenden und weil ich nicht weiss, wo und wie ich sitzen soll, bin ich schnell ab der Guertellinie nass. Die nassen Sachen stinken nach Kloake, ich ziehe mich um, wasche sie und gehe in mein Internetcafe. Heute geht nichts, sagt der Chef und sperrt gerade zu. Er fahre jetzt zum Moslemfest und ob ich mitkommen will. Wie weit es ist, will ich wissen. 4 Kilometer sagt er, ich will.









Wir fahren mit dem Moped, der Mond leuchtet uns durch die Nacht ins naechste Dorf. Gleich am Eingang ein Riesenfeuer, dicke Baumstaemme brennen und daneben ein Altarplatz. Wir ziehen unsere Schlapfen aus, bekommen mit dem Palmwedel eine aufs Haupt, einen Aschenpunkt auf die Stirn, ein Zuckernussgemisch in die Hand. Rundherum schwarz verschleierte Moslemfrauen und bunt gewandete Hindufrauen. Ich bin die einzige Weisse und wickle meinen roten Seidenschal um den Kopf. Wir gehen ans andere Ende des Dorfes, das gleiche: Feuer, Altar, Segen. "Um Mitternacht treffen sich die Goetter", sagt mein Begleiter. In der Mitte des Ortes ist eine Feuerstelle aufgebaut, die um Mitternacht entzuendet wird. Musikgruppen gehen herum, ein lautes TRommeln und Blasen. Ein Mann poebelt mich an. Er ist betrunken, sagt mein Begleiter. Da hab ich genug gesehen vom Moslemfest und wir fahren nach Hause.









Am naechsten Morgen nehme ich wieder das Faehrboot ueber den Fluss und treffe Ilja. "Gut, dass du gestern nicht mitgekommen bist. Die Polizei hat uns alle weggeschickt, es waren zu viele Touristen da", sagt er. Wir fahren gemeinsam weiter zu einem See in der Mondlandschaft, wo die Traveller zum Baden hingehen und die Inder zum Gaffen. Ein paar Burschen fragen einen Inder, ob er sich von der hoechsten Stelle springen traut. Ja, sagt er und klettert drei uebereinanderliegende Felsquader auf der senkrechten Seite hinauf, wartet, bis die Fotoapparate eingestellt sind und springt bestimmt 20 Meter hinunter. Alle halten den Atem an, er taucht wieder auf, der Applaus kommt verhalten, er klettert die 10 Meter auf das Felsplateau herauf, wo die Zuschauer sitzen und ist zu stolz, um nach Geld zu fragen. Er bekommt keinen mueden Rupie.









Zurueck auf der TErasse des Guesthouses lese ich in der Zeitung, dass das Moslemfest Muharrum heisst und zum Gedenken an den Martyrer, schiitischen Imam und Enkel des Propheten Hussain stattfindet. Und Ken, ein Brite erklaert mir, dass er nicht an 3000 Goetter glaubt wie die Hindus, auch nicht an drei und nicht einmal an einen. Er ist Buddhist und es geht nur ums Sein, das niemals anfaengt und niemals aufhoert. Darum: einatmen - ausatmen.

3 Kommentare:

BerndM hat gesagt…

Hi Edith, wieder ein Genuss, das zu lesen!

Out of Manhattan hat gesagt…

Namaste Edith,

jedesmal wenn ich deine Beiträge lese, krieg ich solches Reisefieber, das kannst du dir gar nicht vorstellen...Aber jedenfalls beschreibst du alles so schön, da ist man auch irgendwie dabei..ich riech schon fast die bidis. Wien ist GKNS - grau, kalt,nass,schirch-also du versäumst nix und die Weltwirtschaftskrise, die wir hier gar nicht haben (wollen) - und mit Sicherheit auch nicht brauchen - hält noch länger an. Na dann grüß mir den nächsten Ganesha !

edith hat gesagt…

freu ich, dass ihr alle dabei seid, aber halt nur fast, denn dass hier heute der gesamte plastikmuell verbrannt wird, riechst du nicht!

al e